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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt
Autoren: Alexander Kröger
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kam mir die Luft auf Neuerde wie ein frischer Herbsthauch im Pirin vor, als ich aus der Tür dieser Kneipe ins Freie trat.

    Epilog

    Ich betätigte die Stopptaste. Wie meist an jenen Abenden im Schiff herrschte Schweigen nach den im ganzen traurigen Äußerungen der Fanny McCullan aus der TELESALT.
    Anfangs hatte mein Vortrag immer noch Diskussionen ausgelöst: »Warum haben sie…, warum haben sie nicht…, man hätte doch…« Es blieben dann Fragen im Raum, die zu beantworten natürlich niemand imstande war. Wer schon weiß, was in den Köpfen der damaligen Menschen wirklich stattgefunden hat, noch dazu in denen auserwählter Menschen… Und was schon wissen wir heute! Laß wenige Jahrzehnte ins Land gehen, und wir wundern uns, wie dumm und einfältig manchmal eigene und die Entscheidungen verantwortungsvoller und scheinbar kluger, gebildeter Leute anmuten, nur einige Dekaden später. Es gilt schon der alte Spruch, daß man hinterher stets klüger sei…
    Und natürlich war uns längst klargeworden, jene Fanny – und wenn wir sie noch so liebgewonnen hatten – konnte uns nur Steinchen eigenen Schliffs zu einem Mosaik liefern, das sein Geheimnis erst dann endgültig preisgeben würde, wenn alles, der Hintergrund, die Bindemasse, Materiallieferanten, vor allem aber der Meister, bekannt sein würde. Ob dies jemals gelänge, stand in den Sternen.
    Ich selbst, Sam Martin, der ich Fannys Nachlaß am besten kannte, spürte, so glaube ich, zu diesem Zeitpunkt auch am deutlichsten der Einsiedlerin und – extrapoliert über Jahrhunderte – unser eigenes Dilemma. Und folgerichtig, unvermeidbar drang dieses Gefühl über mich in die Mannschaft.
    Wie üblich saßen wir, nachdem ich den Recorder abgeschaltet hatte, wenige Minuten, nippten an unseren Gläsern, und ich sortierte oberflächlich die Disketten.
    »Ja – gute Nacht dann«, wünschte Inge, und sie machte Anstalten, sich zu erheben.
    Es war eben ein Abend wie zwölf andere vorher – bis zu diesem Augenblick.
    Bruno hob beschwichtigend die Hand gegen Inge, sie deutlich in ihrer Absicht bremsend. Dann blickte der Kommandant vor sich auf die Tischplatte, sekundenlang. Und jedem von uns wurde klar, daß eine Entscheidung bevorstand. Wir sahen alle mit Spannung auf Bruno. »Noch zwei Abende, Sam«, sagte er langsam, ohne besondere Betonung.
    »Aber…«, ich verstummte. Jeder von uns kannte die Reisedirektive gut genug und akzeptierte das Vernünftige, das ihre auf Erfahrungen fußenden Regeln forderten. Wir alle wußten und hatten stillschweigend hingenommen, daß wir insgesamt bereits tagelang gegen dieses Reglement verstießen. Schon längst hätten wir uns in der Anabiose befinden müssen… Und natürlich würde unser Logbuch diese Disziplinwidrigkeit nicht verschweigen, zugegeben, eine nicht allzu schwerwiegende – bislang. Aber das zu entscheiden oblag nicht einmal Bruno…! Zumal man uns leicht nachweisen könnte, daß es einen eigentlichen Anlaß für die Nichteinhaltung der Vorschriften nicht gab, abgesehen von unserer Neugierde – na, sagen wir, unserem Recht auf Information, einem Recht aber, das uns auf der Erde niemand streitig gemacht hätte…
    Deshalb protestierte ich nicht gegen Brunos Entscheidung, deshalb protestierte niemand aus der Mannschaft. Nur Lisa zog eine Grimasse, die sehr deutlich, und wie ich meinte, der Situation unangemessen, zeigte, was sie von Brunos Entschluß hielt.
    Aber der Kommandant wußte natürlich selber, welch inneres Echo seine Worte in jedem von uns hervorrufen mochten. Er fragte: »Du hast alles, das gesamte Aufgeschriebene der Fanny und der anderen gelesen, Sam?« Ich bejahte.
    »Dann bitte ich dich, es in der verbleibenden Zeit gekürzt nachzuerzählen.«
    Mich überraschte das Ansinnen, denn ich dachte an den Wust von Seiten dieser Chronik, den ich noch nicht aufbereitet hatte, und erneut regte sich leiser Protest.
    Ich sah zu Bruno, er saß mit verschlossenem Gesicht, starrte auf den Tisch. Dann traf ich den Blick Friedruns. Wärme, Aufmunterung und Bitte zugleich lagen darin. Da sagte ich: »Ich will es versuchen.«

    Beinahe die ganze Nacht und den darauffolgenden Tag rackerte ich. Freilich, ich hatte alles schon einmal gelesen, die Stellen jedoch, die arg beschädigt oder anderweitig schwierig zu entziffern waren, zunächst übergangen. Jetzt aber prüfte ich den Text nochmals sorgfältig daraufhin, ob ich vielleicht Wesentliches überblättert hatte, und ich fertigte mir ein Konzept, um die Chronologie zu
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