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Das Geheimnis von Islay Island

Das Geheimnis von Islay Island

Titel: Das Geheimnis von Islay Island
Autoren: Morna Helen; Mulgray Mulgray
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    E dinburgh: Im Frühnebel tauchte plötzlich ein schwarz gekleideter Mann in Kapuze auf. Rechts … links … rechts … links … schwenkte der Metalldetektor über den menschenleeren Strand. Mit der rhythmischen Präzision eines Metronoms zog die flache Scheibe des Geräts gleichmäßige Bögen über die weite Fläche. Mal verschwand die Gestalt in den Nebelschwaden … dann war sie wieder da … und verschwand abermals, um wie ein Gespenst, wie der leibhaftige Tod, ganz plötzlich erneut in Erscheinung zu treten. Was konnte der Mann an einem solch unwirtlichen, feuchtkalten Tag Ende September zu finden hoffen? Ich würde mir die Sache genauer ansehen.
    Gestern hatte der Flickenteppich der Felder von Fife noch zum Greifen nahe gewirkt, fast, als könnte man hinüberschwimmen, obwohl er in Wirklichkeit fünfzehn Kilometer entfernt hinter dem blauen Wasser des Firth of Forth lag. In der klaren Luft hatte ich da, wo jetzt nur Grau in Grau zu sehen war, die grasbewachsenen Hänge, einen Leuchtturm und so etwas wie einen Hafendamm in der Mitte zwischen Fife und Portobello ausmachen können. Beim Blick aus dem Fenster meiner Pension hatte sich der Sand in beide Richtungen fast bis ins Unendliche erstreckt – zwei verschiedene Farben: über der Flutmarke hell, fast weiß, und dort, wo ihn das Wasser überspülte, in Altgold. In verstreuten Grüppchen reckten die Erwachsenen an diesem unerwartet schönen Altweibersommertag das Gesicht in die Sonne, während ihre Kinder im Sand buddelten und Burgen bauten.
    »Ein richtig warmer Tag zieht den haar nach sich, den dichten Nebel, der von der See herüberkommt«, hatte meine Wirtin prophezeit. Sie hatte Recht behalten, doch waren eines Tiefs wegen in der Nacht noch stürmische Winde und Regen über die Region gegangen. Am folgenden Morgen hatte der Sand eine gräulich gelbliche Farbe angenommen, und der Strand war menschenleer, zumindest, soweit ich in der Nebelsuppe überhaupt etwas erkennen konnte.
    Bis ich mir eine Jacke übergeworfen hatte und auf der Promenade stand, hatte der haar eine so dichte Dunstglocke über den Strand gestülpt, dass er das Rauschen der Wellen dämpfte und die Klagelaute der Möwen fast zum Verstummen brachte. Der Herbst schien dem Winter gewichen zu sein. Edinburgh liegt auf dem sechsundfünfzigsten Grad nördlicher Breite und damit auf gleicher Höhe mit Labrador, das Klima war also eigentlich nicht verwunderlich.
    Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch, unterdrückte ein Schaudern und trat in den Nebel, um den Fußspuren zu folgen, die unter einer hauchdünnen Schicht von verwehtem Sand ihre Konturen verloren. Vor mir tauchte etwas Dunkles auf, eine muschelverkrustete, vom Tang grün gefärbte Mole. Die sturmgepeitschte See hatte in der letzten Nacht am unteren Ende des Wellenbrechers einen halben Meter Sand abgetragen und die Strebebolzen freigelegt.
    In einiger Entfernung entdeckte ich rechts, dicht an den Wellen, schemenhaft die Umrisse des Mannes. Er stand vollkommen still, während er mithilfe seiner Kopfhörer aufmerksam auf das Signal der nur Zentimeter über dem Boden schwebenden Detektorscheibe horchte.
    »Was Interessantes gefunden?«, rief ich ihm zu.
    Er legte das Gerät weg und fing an, mit einem kleinen Spitzspaten behutsam im Sand zu scharren.
    »Was Interessantes?«, wiederholte ich meine Frage.
    Er unterzog mich einem langen prüfenden Blick und kam wohl zu dem Schluss, dass er es nicht mit einer Rivalin zu tun hatte, denn er wurde gesprächig. »Schon möglich.«
    Ich spähte in die kleine Mulde, die er gegraben hatte. »Kann natürlich auch einfach nur eine alte Bierdose sein.«
    »Wohl eher nicht.« Er kniete sich hin und buddelte tiefer. »Kann man an der Länge des Signals ganz gut hören. Das hier ist viel kleiner. Wahrscheinlich nur eine Münze. Ah –« Zwischen Daumen und Zeigefinger zog er etwas heraus und hielt es mir in der offenen Hand entgegen. Statt einer Münze lag dort eine Kugel, ein messingüberzogenes, halb ummanteltes Geschoss. Munition für eine Hochgeschwindigkeitspistole wie etwa eine Magnum. Die Drallspuren zeugten davon, dass die Patrone abgefeuert worden war.
    Der Detektormann schien von der Entdeckung wenig beeindruckt. Das machte mich neugierig. »Haben Sie denn schon mal –?«
    Er fiel mir ins Wort. »Oh ja. Vollkommen wertlos.« Er warf die Kugel weg. »Ein Autoschlüssel oder ein Trauring ist schon was anderes.« Er griff erneut zu seinem Detektor und machte sich, immer am Wasser entlang,
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