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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt
Autoren: Alexander Kröger
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genehmigte Arbeitspensum hinaus beschäftigten, blieb aus dem gesamten Aufnahmeraster ein Gebiet übrig, das eine Merkwürdigkeit auswies, auf die wir zunächst alle Aufmerksamkeit richteten und für die sich keine Erklärung fand: Im nördlichen, gemäßigten Bereich, vielleicht dreihundert Kilometer vom Übergang zu dieser vermuteten Buschsteppe, hatten wir ein fest stehendes geometrisches Gebilde entdeckt, das in einzelnen Punkten einmal intensiver, einmal schwächer Wärme abstrahlte, und das in einem Tagesturnus, nicht exakt auf die Minute, jedoch auffällig. Etwa mit Tagesbeginn, dann, wenn die Sonne über dem besagten Gebiet im Zenit stand, in einer Spanne von mehreren Stunden; am längsten aber strahlten die Punkte abends, wogegen sie nachts beinahe erloschen.
    Natürlich machten wir gerade von diesem Gebiet allerlei Spezialaufnahmen, doch der Überflug dauerte ja nie lange, und bis zum nächsten vergingen Tage, so daß Carlos schon vorschlug, den Kurs zu korrigieren und die Bahn stationär über dieses Gebiet zu legen, was allerdings der doch immerhin vagen Erscheinung wegen zunächst abgelehnt wurde. Bis bei einem der nächsten Überflüge – wir saßen vor den schärfsten Aufnahmen am Auswerter – Friedrun in die Stille hinein sagte, und es klang, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt: »Das ist ein Dorf!«
    Wir schwiegen eine Weile überrascht.
    Ich bin sicher: Jedem fielen bisher ermittelte Daten ein, und jeder konnte sie sofort in den Begriff »Dorf« einordnen. Und natürlich hatte ich Grund, mich zu ärgern. Schließlich war ich Anthropologe und wäre wohl verpflichtet gewesen, als erster in solcher Kategorie zu denken. Wie Friedruns Bemerkung einschlug, mag das Nachfolgende charakterisieren: Ohne erst eine Diskussion aufkommen zu lassen, hatten sich Bruno und Carlos verständigt – mit einem Blick. »Wann hast du die Bahn?« fragte Bruno.
    »Die habe ich schon!« Carlos lächelte. »Selig sind die Ahnungsvollen.« »Wieso – wußtest du?« fragte Lisa. »Natürlich nicht, aber daß wir es untersuchen werden…«
    »Also…«, Bruno unterbrach. »Schwenk ein – und, Sam, bei Nachtannäherung Antireflex!«
    »Okay«, antwortete ich, und ich mußte mir zur Ehre anrechnen, daß ich daran auch gedacht hatte. Wie ich Carlos kannte, hatte er die überhaupt mögliche niedrigste Bahn errechnet. Hausten nun da unten Primitivlinge, mußte unser Schiff, wenn es ihnen wie ein Riesenstern über die Köpfe fuhr, natürlich Furcht und Panik auslösen. Antireflex ist weiter nichts als eine Besprühung des gesamten Schiffskörpers mit matter schwarzer Farbe, eine Einrichtung, die ich seinerzeit nur mit großer Mühe im Projekt unterbringen konnte.

    Es dauerte zwei Tage, bis wir auf der Bahn lagen. Wir überflogen nun das entsprechende Gebiet fast jede Stunde in einer Höhe von hundertachtzig Kilometern. Die bislang erhaltenen Informationen bestätigten sich: Unter uns lag ein Gebiet dichter Vegetation, unterbrochen von winzigen Lichtungen, die selbst bei größter Auflösung keinen informativen Einblick gewährten. Aber der Infraschirm blieb zu den genannten Zeiten bei einer unexakten, aber deutlichen Zweierreihe von Punkten mit haufenförmigen Auswüchsen. Nichts sprach gegen die Version »Dorf«.

    Beim dritten Anflug ordnete Bruno das Aussetzen eines Zeppelins an, eines jener autarken, heliumgefüllten und lautlos fliegenden Körper, die auf eine geringe Höhe abgelassen werden, eine Wegstrecke zurücklegen, sich zur Rakete wandeln und in der Orbitbahn wieder abgefangen werden können. Das verlangte navigatorisches Geschick, aber wir hatten ja Carlos.
    Das Manöver gelang, der Informationszuwachs jedoch erwies sich als äußerst mager.
    Mit viel Phantasie konnte man zwischen den Stämmen im dichten Unterholz gelbliche Flächen erkennen, die man auch als Wege oder Plätze deuten konnte – beziehungsweise als Gebilde, die Ähnlichkeiten mit Gerüsten oder Geflechten oder gar Wänden aufwiesen. Da sich das alles bruchstückhaft darbot, weitere Zusammenhänge nicht erkennbar wurden, entstand auch keinerlei Gewißheit. Aber wiederum sprach nichts gegen »Dorf«.
    Wir saßen ziemlich ratlos um das auszuwertende Material. Immer mehr Augenpaare richteten sich auf Bruno.
    Zunächst tat dieser, als bemerke er es nicht. Er hatte einen dieser Ausdrucke vor sich, starrte darauf, aber man sah, daß er nichts wahrnahm. Doch plötzlich schaute er auf. Im Nu hatte er durch eine leichte Kopfdrehung Sichtkontakt
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