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Der Untergang der Hölle (German Edition)

Der Untergang der Hölle (German Edition)

Titel: Der Untergang der Hölle (German Edition)
Autoren: Jeffrey Thomas
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Wand des Schachts ragte. Direkt darunter ging sie in die Hocke und sprang erneut. Das elastische Netz verstärkte ihren Schwung. Sie erwischte die untere Sprosse und klammerte sich mit in der Luft zappelnden Beinen daran fest, bis es ihr mit einem Grunzen gelang, sich zur zweiten Sprosse hinaufzuziehen. Bald stand sie mit beiden Füßen auf der Leiter und ruhte sich erst einmal aus.
    Sie sah auf den gitterartigen Körper ihres Vaters hinab, wollte ihm etwas zurufen und ihm versichern, dass sie ihn nicht im Stich lassen würde, aber sie war nicht ganz sicher, ob das stimmte. Am Ende entschied sie sich, zu schweigen, wandte den Blick nach oben und begann, in die über ihr hängende Dunkelheit zu klettern. Das Gebrabbel des Kopfes unter ihr wurde allmählich leiser.
    Als sie sich die Leiter hinaufschleppte, löste sich eine der Sprossen aus ihrer Verankerung. Die linke Hälfte zerbröckelte zu spröden Rostflocken, die in die Tiefe wirbelten, aber es gelang der Frau, die nächste Sprosse rechtzeitig zu erklimmen.
    Die weißen Sporen schwammen wie Plankton um sie herum. In größerer Höhe wurden sie so dicht, dass sie nur noch durch die Nase atmete, um keine davon zu verschlucken. Sie blinzelte die Flocken aus den Wimpern und schnaubte sie von den Nasenlöchern weg.
    Als sie sich dem Ventilator hinter seinem Metallgitter näherte, bemerkte sie eine Ansammlung seltsamer Lebensformen, die wie Kletten an den Seiten des Schachts und sogar an den Leitersprossen hafteten. Tatsächlich erinnerten sie an eine Art primitiver Meerespflanzen oder -tiere. Es handelte sich um weiße, muschelartige Gewächse, die senkrecht von einem klebrigen Sockel abstanden. Die beiden Hälften der Muschelschalen öffneten und schlossen sich in rhythmischem Takt und enthüllten das akkordeonartige Innere, das ein- und auszuatmen schien wie ein Blasebalg.
    Während sie innehielt, um die Nächstgelegenen dieser seltsamen Lebensformen genauer zu untersuchen, bemerkte sie, dass die weißen Flocken gelegentlich auf einer Leitersprosse landeten, dort haften blieben oder sich festzuhalten schienen. Dann sah sie mehrere winzige, knospenartige Gewächse, die an den Tritten entlangwucherten. Ihr wurde klar, dass es sich dabei um noch unreife Exemplare dieser Kletten handelte. Daher schien es naheliegend, dass die Sporen so etwas wie Schwebesamen waren, aus denen diese Kreaturen heranwuchsen.
    Als sie einen der Organismen mit dem Finger anstieß, brachte ein Klicken und Rascheln von unten die Frau dazu, hinabzusehen. Sie fuhr zusammen, als sie entdeckte, dass eine größere Anzahl der orangefarbenen Krabben sich langsam, aber stetig hinter ihr die Leiter heraufkämpfte. Waren sie auf ihr frisches Fleisch aufmerksam geworden – oder wollten sie gar versuchen, sie an ihrer Flucht zu hindern?
    Flucht. Eine Mutter zu finden, an deren Gesicht sie sich nicht erinnern konnte, einen Bruder, dessen Name ihr nicht mehr einfallen wollte, oder Hilfe für einen Vater aufzutreiben, der ihr mehr als fernes, zweidimensionales Abbild denn als Mensch im Gedächtnis haftete, war nicht die eigentliche Motivation für ihre Flucht. Vielmehr wollte sie aus einem Urinstinkt heraus diese Kammer verlassen und weiterziehen. Eine freundlichere Umgebung aufsuchen. Die Stätte der Schmerzen verlassen. In der Tat, sie versuchte zu fliehen .
    Wohin auch immer man an einem Ort wie diesem fliehen konnte.
    Sie hastete weiter aufwärts, um den Abstand zu den gefräßigen Krustentieren zu vergrößern, die sie verfolgten. Knapp über ihr endete der Schacht als Sackgasse vor dem Gitter, hinter dem der Ventilator seine gelegentlichen trägen Umdrehungen vollführte. Sie langte hinauf, zwängte ihre Finger durch die Streben und zog ein wenig, legte dann zusätzliches Gewicht in die Bewegung hinein, doch das Gitter rührte sich nicht von der Stelle. Sie schaute hinunter, um den Ansturm der Krabben zu beobachten. Die unteren Sprossen färbten sich unter ihren drängenden Körpern bereits orange. Mit einem wachsenden Gefühl der Eile richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Seiten des Schachts.
    Da, eine Art kleine Versorgungsluke, und sie war nicht ganz geschlossen. Sie lehnte sich auf der Leiter hinüber, bekam eine Ecke zu fassen und zog. Der Verschlussmechanismus hielt noch kurz stand und protestierte quietschend, doch dann schwang die Luke weit genug auf, um ein Hineinklettern zu ermöglichen. Zweifelnd sah die Frau nach unten. Falls sie es nicht schaffen würde, gab es keine andere
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