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Der Untergang der Hölle (German Edition)

Der Untergang der Hölle (German Edition)

Titel: Der Untergang der Hölle (German Edition)
Autoren: Jeffrey Thomas
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integriert wurde, aus dem es nur entkommen konnte, wenn die Folterknechte selbst ihre chirurgischen Künste rückgängig machten. Der restliche Körper wurde bei diesem Prozess so stark zerstört, dass er sich nicht aus eigener Kraft wiederherstellen konnte. Körper neigten dazu, sich von ihrem größten Bestandteil aus zu regenerieren, bevorzugt vom Kopf.
    Es war möglich, eine Straße mit Steinplatten zu pflastern, die mit der Haut menschlicher Gesichter bespannt waren. Diese verfügten, auch wenn sie stumm waren, noch über ein Bewusstsein. (Vor ihrem geistigen Auge stieg das Bild purpurroter Tausendfüßler auf, die hinter den Gittern der Rinnsteine hervorkamen, um über die Gesichter zu wimmeln, in Münder hinein und aus ihnen heraus zu kriechen und Nasenlöcher von innen und außen anzuknabbern.)
    Eine Truppe von Dämonen konnte außerdem Stiefel aus »lebender« Haut tragen, wodurch die Gefolterten nicht bloß erniedrigt, sondern auch bei jedem Auftreten zermalmt wurden, und an jeder Stiefelspitze konnte in der Mitte als dekorative Spielerei ein menschliches Auge sitzen. Ihr fiel ein, dass in den meisten dieser abscheulichen Kunstwerke ein Auge auftauchte, als stellte es eine Grundvoraussetzung dar, eine Seele auf diese Weise zu binden.
    Aber das Gewehr entgegnete auf ihre Frage: »Nein. Ich bin ein Dämon.«
    »Ein Dämon? Was hast du getan, dass man dich in diese Gestalt eingesperrt hat?«
    »Ich bin nicht eingesperrt. Das hier ist die Form, in der ich mein Bewusstsein erlangte. Ich bin eine lebendige Waffe.« Das Gewehr musste nicht betonen, dass es von »Leben« nur in dem Sinne sprach, dass jegliche Form von Bewusstsein im Jenseits als lebendig betrachtet wurde. »Sie haben hier lange Zeit in Isolation zugebracht, nicht wahr? Ich erkenne Sie. Hat Sie jemand freigelassen?«
    »Ich habe mich selbst befreit. Aber meine Erinnerung ist größtenteils verschwunden. Ich kenne meinen Namen nicht mehr und den meines Vaters in Zelle U auch nicht. Kennst du unsere Namen?«
    »Nicht direkt, aber ich weiß, dass Ihr Vater eingesperrt wurde, weil die Dämonen, die mich benutzten, ihn zutiefst hassten. Zu Lebzeiten war er ein Massenprediger, können Sie sich erinnern?«
    »Vage.« Diese verschwommenen Visionen ihres Vaters auf einem Fernsehschirm. Später die Vision, wie Vee an seiner Seite stand, zusammen mit anderen weiß gewandeten Anhängern.
    »Ja, im Leben war er Evangelist und seine Predigten wurden im ganzen Land ausgestrahlt. Dadurch stieg er im Paradies zu einem hochrangigen Engel auf. Und er kam hierher in den Hades als Anführer einer Armee anderer himmlischer Kreaturen wie er selbst, die sich freiwillig gemeldet hatten, um am Großen Konflikt teilzunehmen. Ihr erklärtes Ziel war es, rebellische Verdammte und Dämonen gleichermaßen zu unterwerfen.«
    Engel. Verdammte. Die Bezeichnungen kamen trübe wieder in ihrem Geist zum Vorschein. »Was bin ich dann, eine Verdammte oder ein Engel?«
    »Sie sind ein Engel. Sie haben an der Seite Ihres Vaters gekämpft und waren Kommandantin in seiner Armee.«
    »Ich?« Vee konnte diese Information nicht mit ihrer gegenwärtigen Psyche in Einklang bringen. Konnte sie derart von Eifer beseelt sein? Offenbar schon, doch sie verspürte keinerlei Bedürfnis, ihren Dienstgrad zurückzuerlangen. Auch der glühende Ehrgeiz, der ihr den Rang eingebracht haben musste, war verschwunden. Leute anzuführen, zu einer Gruppe zu gehören, die für ein gemeinsames Ideal kämpfte? Vielleicht lag es an der langen Phase der Isolation, die sie durchlebt hatte, und an der Ausradierung – Reinigung? – ihres Geistes, dass ihr diese Vorstellung eher abschreckend vorkam. Jedenfalls fragte sie das Gewehr: »Was ist dieser Große Konflikt?«
    »Sie haben in der Tat vieles vergessen. Und in gewissem Sinne übrigens auch eine Menge verschlafen.«
    »Also hast du zu denen gehört, die mich und meinen Vater gefangen genommen und uns hier festgehalten haben. Wir konnten nicht sterben, da wir bereits tot waren, aber dafür habt ihr uns eingeschlossen und bestraft.«
    Falls das Gewehr irgendeine Form von Nervosität oder den Wunsch verspürte, sich zu verteidigen, war seiner monotonen Stimme nichts davon anzumerken. Es antwortete: »Ja, aber ich bin nur ein Werkzeug, nur als solches geschaffen und angelegt. Ich versuche nicht, mich damit herauszureden, ich informiere Sie lediglich über Tatsachen.«
    »Keine Sorge, ich habe nicht vor, mich an dir zu rächen. Es sieht so aus, als hätten bereits andere
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