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Der unsichtbare Zweite

Der unsichtbare Zweite

Titel: Der unsichtbare Zweite
Autoren: Carlo Fruttero
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in diesem Schummerlicht und mit Hundeaugen gesehen ... Ich hielt mir die Hand vor die Augen. Entsetztes Zischeln: »Bist du wahnsinnig geworden?«
    Rechtfertigendes Zurückzischeln: »Ich muss jetzt da eine Runde drehen, um zu sehen, wer, und wer nicht, hier drin ist, und ich muss disponibel wirken, Slucca, am Tausch interessiert.«
    Befehlendes Zischeln: »Zieh dir dieses Ding wieder an!«
    Ungeduldiges Zischeln: »Ich mache bloß meine Arbeit, Slucca. Und überhaupt«, giftiges Zischeln, »lass diesen islamischen Fundamentalistenton, ich sehe doch, dass du linst.«
    Unschuldiges und verletztes Zischeln: »Ich linse nicht.«
    Verdammendes Zischeln: »Du linst, Slucca, du linst wie ein alter Spanner am Schlüsselloch vom Damenklo.«
    Sie verschwand unter diesen gespenstischen Umrissen in diesem Geraune und Waschbeckenblubbern und ließ mich allein, dem Windspiel ausgeliefert, das wieder angefangen hatte, mich zu belästigen.
    Zischeln im Geist: »Fort, hinweg von mir, unflätiger Vierbeiner.«
    Und ich verpasste ihm mit dem Knie einen Stoß endgültigen Abbruchs der Verhandlungen, der ein schändliches Flehen zur Folge hatte: »Oh, du willst mir weh tun, ja, ja, tu mir weh, hör nicht auf, weiter, weiter!«
    Es musste das Frauchen des Hundes sein, die Firstdoofy auf allen vieren, die offenbar von mir ein Sado-Masospiel verlangte. Sie umklammerte meine Beine, rieb den Kopf an meinen Schenkeln.
    »Ich schlagara nicht, peitschara nicht, ich respektara das schwache Geschlecht.«
    »Aber du bist ja ein Türke«, säuselte sie. »Komm runter, wir machen es alla turcal«
    Ich hob das Knie und gab gut acht, diese Szene war nicht nur maßlos peinlich, sondern auch verdächtig; die Frau konnte eine Provokateurin sein, die mich im Verein mit ihrem instrumentalisierten Hund von meiner Mission ablenken wollte. Nicht dass ich nicht versucht gewesen wäre, ihr gehörig ein paar zu versetzen, dieser Störenfriedin und Spionin, die mir den Weg versperrte. Aber ich wollte ihr keinesfalls etwas zu Gefallen tun, und so tappte ich mit vor mir ausgestreckten Armen von ihr weg, bis ich mit einem schwarzen Gespenst in einem bodenlangen Seidencape zusammenstieß; das Gewebe glitt mir zwischen den Fingern durch. Beruhigendes Zischeln: »Hab keine Angst, Slucca, das ist kein Vampir, ich bin's.«
    Diese sündige Atmosphäre, diese knisternde Seide, diese beiden Erhebungen ...
    »Hände weg, hier wird nichts eingeschleust, Slucca, wir müssen gehen.«
    Ihr Erkundigungsgang hatte nichts ergeben, in dem dämmerigen Salon waren nur Sosolala-Mächte.
    »Auch das ist nur eine Tarnung, wir müssen in den nächsten Stock, los, komm.«
    Durch Röcheln (aber wenn ihr mich fragt, schnarchten da auch ein paar) und leise gestöhnte Ausrufe hindurch, brachte sie mich zur Tür. Wir waren zurück in der Vorhalle. Niemand war da, und sie zog sich ihr Top wieder an. Ich habe absolut nicht gelinst.
    Eine geschwungene breite Treppe mit einem abgegriffenen Geländer führte ins obere Geschoß hinauf.
    »Wo hast du das Cape gefunden?«
    »Es lag über einem Sessel, und ich hab es mir genommen, es macht einen etwas unsichtbarer.«
    Es hatte etwas Verfängliches, dieses Kleidungsstück, ein zärtliches Spiel von Falten und Fältchen, die sich bildeten, sich lösten, sich wieder bildeten, sich entzogen wie in einer fragilen Koalitionsregierung. Es packte einen die Lust, es zu Fall zu bringen und gleichzeitig mit beiden Händen hineinzufahren, ihm bedingungslose Anhängerschaft zu gewähren.
    Oben an der Treppe ging ein Korridor nach links ab, ein Korridor nach rechts. Es gab von schweren, dunklen Portieren verhangene Türen, dazwischen ein paar löwenfußige Holzsessel, und es war völlig still.
    »Ob das hier ist?«
    Es roch nach Eigentlichen Mächten, ich hörte überstürzte Schritte, die sich als mein Herzschlag herausstellten, Schauder liefen mir das Rückgrat hinauf und hinunter, wie verrückte Ergebnisse der Meinungsumfragen vor den Wahlen. Ich machte einen Schritt. Zwei. Das alte Parkett knarrte hoffnungslos. Ich nahm die Hand der jungen Frau.
    »Wir sind am Ziel, Slucca, mach nicht ausgerechnet jetzt auf Espenlaub, lass mich gehen.«
    Sie schlug den linken Korridor ein, wahrscheinlich zufällig, aber mit der Sicherheit einer Person, die weiß, wohin sie geht. Sie schob den Vorhang vor der ersten Tür auseinander. Verschlossen. Den vor der zweiten. Verschlossen.
    »Lass doch. Die sind alle zu«, sagte ich, der ich ihr leise rutschend folgte. »Migliarini war
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