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Der unsichtbare Zweite

Der unsichtbare Zweite

Titel: Der unsichtbare Zweite
Autoren: Carlo Fruttero
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meinst du nicht auch?«
    Er neigte den Kopf, sank müde auf einen Stuhl am Tisch, lockerte sich mit einer Grimasse das Halstuch. Dann ermannte er sich jedoch, richtete sich auf und legte die Hand aufs Herz. »Ich bin ein Gentleman«, ging er zum Angriff über. »Ich habe nicht vor, eine Dame zu kompromittieren, das ist nicht mein Stil.«
    »Dede, und wenn es ein Herr wäre?«
    Er schlug mit der Faust auf den Tisch, dass Vase und duftlose Rose wackelten. »Signorina, was wollen Sie damit andeuten?«
    »Ich will andeuten, dass dort im Badezimmer zwei luxuriöse Frotteebademäntel mit Monogramm hängen, da unten aufgestickt«, sie berührte ihren Schenkel, »ein D, das ist deins, Dede. Und ein M, das ist von diesem Herrn.«
    Sie zog eine Fotografie aus ihrem Stiefelschaft, legte sie auf den Tisch. »Schau dir die mal an, Slucca, die habe ich in der Bademanteltasche gefunden.«
    Das Zimmer fing an, sich um mich zu drehen, ich wusste nicht mehr, ob ich unter den Pompejanern, den Hettitern, den Balkanesen, den sechshundertdreißig Abgeordneten der Republik war.
    Es war ein Foto von Migliarini (und nicht gerade eines der schmeichelhaftesten).
    »Nein, nein«, protestierte Dede, »ihr wisst ja nicht, ihr versteht ja nicht, ich mit so einem ...«
    »Migliarini ist sein Liebhaber, Slucca. Und das ist ihr Liebesnest.«
    Ich klammerte mich an die Tischplatte.
    »Nein, nein, den da kenne ich doch nicht einmal«, schluchzte der schwule Hettiter fast.
    Die junge Frau legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Autsch!«
    »Sag uns die Wahrheit, Dede, was treibst du hier mit diesem Mann?«
    »Autsch!« schrie Dede wieder. Dann schlug er die Hände vors Gesicht. »Was heißt denn treiben, Signorina. Umbringen sollte ich ihn! Ich habe ihn nie in meinem Leben gesehen, deswegen habe ich doch das Foto, um den Türken zu erkennen.«
    »Hat man dir gesagt, er komme hierher?«
    »Ja, ein türkischer Terrorist, Drogendealer, mehrfacher Mörder, ein äußerst gefährlicher Mann ...«
    »Aber hier liegt ein grundlegendes Missverständnis vor!« schrie ich. »Der Türke bin ich, ich habe mich extra verkleidet!«
    »Onorevole, ich weiß nicht, was Sie damit zu tun haben, die Falle war für diesen andern.«
    Die Falle. Eine Falle für Migliarini. Aber Migliarini hatte mich an seiner Stelle geschickt und wusste folglich, dass ich ermordet werden würde. Deswegen also hatte er mich beim Abschied umarmt. Ich hatte ein Sauerstoffdefizit, konnte nicht mehr atmen, verstand nichts mehr. »Dede, bring ihm ein Glas Wasser, schnell!«
    Der moabitische Killer ging ins Bad, und mit zwei Sprüngen war das Mädchen am Bett, schnappte sich das Buch, das auf dem Stuhl danebenlag (zusammen mit einer Schachtel Pralinen und einem goldenen Feuerzeug), kam zu mir zurück.
    »Schau her, Slucca, es ist alles klar.«
    Das Buch hatte den Titel Gr öße und Wohltat des politischen Mordes, von Julius Cäsar bis]. F. Kennedy.
    Ich schluckte das bisschen Spucke, das ich noch hatte, und sagte: »Aber was hat das mit mir zu tun, ich bin doch nicht zu vergleichen mit ...«
    »Lies, wer der Verfasser ist, Slucca.«
    »Dr. Miranda Danieli«, las ich mühsam. »Größe und ... Mein Gott, die Danieli. Die psychoparlamentarische Therapeutin vom Melliniuf...«
    Der Moabiter kam mit dem Wasser herein, und sofort fiel Lauretta über ihn her.
    »Dede, du hast bei der Danieli den Kurs zur Wiedergewinnung der Skrupellosigkeit absolviert, gib es zu!«
    Der Mann setzte sich abrupt, trank selbst mein ganzes Glas Wasser aus. Dann, sich immer noch die schmerzende Schulter massierend, beichtete er: Ja, er sei schwach gewesen, diese Frau habe ihn verhext, hörig gemacht, ihm nacheinander alle Werte der zivilen Auseinandersetzung, des demokratischen Dialogs im Fernsehen und im Restaurant, der Toleranz, der Nachsicht, der Achtung vor dem Gegner, auch wenn er ein Schuft ist, zerstört und ihm mittels der Beispiele von Heinrich IV. und Lincoln, Umberto L, Erzherzog Ferndinand und Aldo Moro den Mord an diesem Türken als eine hochwirksame und hochethische Medizin erscheinen lassen, trotz der möglichen Komplikationen und Nebenwirkungen, die zweifellos ...
    Tränen der Reue und Scham liefen ihm die Wangen hinunter. Ich bemühte mich, die Situation zu erfassen, aber ich kam einfach nicht über das Meiliniufer hinweg.
    »Aber diese Miranda«, sagte ich, »diese Frau Doktor ist mir gar nicht so verbrecherisch vorgekommen, sie hatte sehr klare Vorstellungen, das ist wahr, aber dass sie zum Mord aufhetzen
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