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Der unsichtbare Zweite

Der unsichtbare Zweite

Titel: Der unsichtbare Zweite
Autoren: Carlo Fruttero
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Mercedes und fuhren schweigend los, ich schwieg aus Erschöpfung, Migliarini aus Vorsicht, Lauretta mit schmollend vorgeschobener Unterlippe aus Groll.
    Aber man weiß, wie Frauen sind, an der Porta Pia halten sie stumme Verachtung für das einzig Richtige, an der Piazza Venezia beginnen sie, das ein bisschen wenig ausdrucksvoll zu finden, und einmal, auf der anderen Seite des Tiber, fürchten sie, es könnte mit stillschweigendem, gleichgültigem Einverständnis verwechselt werden.
    »Ungeheuerlich ...«, kehrte das Zischeln zurück. »Nein, ich frage mich, woher du die Frechheit ...« — der gelbe Widerschein der Straßenlampe kräuselte sich auf dem Fluss - »... ich frage mich, woher du die Unverfrorenheit ...«
    Das Gesicht des Fahrers war unbewegt, seine Stimme tonlos: »Alles vorhergesehen«, sagte er. »Jeder Zug berechnet.«
    Die Minima habe den Eigentlichen Mächten das Versammlungslokal des Achten Hügels angeboten. Und er habe das erfahren. Aber Minima habe erfahren, dass er es erfahren habe. Daher habe er, sich der üblichen Techniken der transversalen Desinformation bedienend, ihr weisgemacht, er wolle persönlich, als Türke verkleidet, hinkommen. Sie habe Dede in der Hand, der ihr hörig sei, ihn habe sie überzeugt, er müsse Migliarini umlegen, der wirklich Türke und gefährlich sei.
    »Aber ich habe darauf gezählt, dass Dede dich wiedererkennen und verschonen würde. Du bist nie in ernster Gefahr gewesen, Slucca, du siehst ja, ich bin hiergeblieben und habe im Wagen auf dich gewartet, nicht wahr?»
    Aber ich habe sie gesehen, die ernste Gefahr in diesem fürchterlichen Durcheinander. Ich habe die Schlagzeilen lesen können: Teuflisches Komplott. Im Liebesnest der Onorevole Malvolio sollte der Liebhaber dieser letzteren mit dem Gürtel eines Bademantels den falschen Selbstmord Onorevole Sluccas inszenieren. Oder noch schlimmer: Von Schüssen durchlöcherte Leiche am Strand von Fregene gefunden. Ein türkischer Händler oder Onorevole Slucca? Oder schließlich; Onorevole Migliarini mit vielen Entschuldigungen aus der U-Haft entlassen. Onorevole Malvolio, Senator Portis, die Firstdomina, die Firstdoofy bestätigen glaubhaft sein Alibi (Wir waren alle zusammen beim Abendessen in der Komfortkellerwohnung des Amtsdieners). Die Polizei tappt im Dunkeln.
    In Monteverde Nuovo wollte Migliarini noch einen Moment mit hinaufkommen, um sich zur Klärung weiterer Einzelheiten an einen Tisch zu setzen. Nicht daran zu denken! Er wollte sich wenigstens kurz Laurettas Filmmaterial ansehen. Nicht einmal im Traum! Er wollte das Mädchen nach Hause fahren, das zwar eine Hyäne war, aber so allein mitten in der Nacht in Rom hässlichen Abenteuern ausgesetzt sein konnte ...
    »Du bist das hässliche Abenteuer ...«, fauchte sie. Und als sie aus dem Wagen stieg, streckte sie die Hand durchs Fenster und zog ihn böse am Schnurrbart.
    »Schuft!« sagte sie und zeigte ihm alle ihre Zähne.
    »Aber da liegt«, verteidigte er sich unter Tränen, »ein grundlegendes Missverständnis vor ... ich habe doch nicht ...«
    »Hau ab, du Bastard von einem Hurensohn!«
    Sie hat übertrieben (auch wenn technisch gesehen ...). Ich konnte ihre Empörung verstehen, aber die Politik besteht eben aus so vielen Nuancen, aus widersprüchlichen Seiten und Kehrseiten, aus tausend erlaubten und unerlaubten, offenen und verborgenen Manövern, aus Signalen, Zeichen, falschen Pisten, kurzfristigen und langfristigen Kniffen, Korrekturen und Korrekturen von Korrekturen, vergeblichen Berechnungen, die unverständlich herum rollen wie Wolken am Himmel. Man kann da nicht mit dem Schwert hineinfahren, wie dieses kühne Mädchen es tun wollte. Es bringt nichts.
    »Aber wieso machst du da mit, Slucca? Das würde ich gern mal wissen.«
    Das kann man nicht wissen, niemand von uns könnte, auch wenn er es wollte, die Wahrheit sagen: Er weiß sie nicht.
    »Na ja, siehst du«, fing ich an, »ich möchte mich ganz klar ausdrücken ...«
    Der Aufzug hielt, die Türen gingen auf, wir traten in die Zweizimmerwohnung.
    »Es ist nichts Ernstes«, sagte das Mädchen zu Vasone, »deinem Türken ist nichts passiert, er wird dir alles selbst erzählen.«
    Gehara nicht fort, flehte ich, gehara nicht weg, bleibara hier, legara dich zum Türken in sein Bettchen ...
    »Das Spiel ist aus, Slucca. Ich lasse dir das Cape zur Erinnerung.«
    Sie drückte mir ein Küsschen auf die Stirn und zog wieder in die Nacht hinaus, kriegerisch und wunderschön in ihren langen weißen
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