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Der unheimliche Kommissar Morry

Der unheimliche Kommissar Morry

Titel: Der unheimliche Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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sollte er ihr beweisen, daß er sich einbildete, diese Eigenschaften zu besitzen? Es gab wohl nur einen Weg: er mußte einen Fall konstruieren, mit dessen Hilfe es möglich sein würde, Constance Brittons Zuneigung zu erobern. Er spazierte durch die Nacht und überlegte; er zog eine Reihe von Gedanken in Erwägung, die er jedoch wieder verwarf, weil sie ihm nicht sicher genug schienen, das Ziel zu erreichen.
    Er hatte noch keine Lust, nach Hause zu gehen, und so winkte er ein Taxi heran, das ihn ins ,Carlton' brachte. In der Bar des Hotels fühlte er sich so wohl wie in seinem Club; hier hatte schon so manche Geschichte ihren Anfang genommen. Er saß kaum eine halbe Stunde, als das Mädchen, mit dem er sich die ganze Zeit in Gedanken beschäftigt hatte, die Bar betrat. Sie war allein und trug jetzt ein schulterfreies Cocktailkleid aus rotem Nylon-Chiffon. Wieder war es wie vorhin bei den Burleys: die Männer atmeten rascher und die Luft schien mit Elektrizität geladen. Als Constance an dem Bartisch Platz nahm, kreuzten sich ihre Blicke. Er neigte grüßend den Kopf und sie lächelte ihm flüchtig zu.
    Er spürte das verrückte Hämmern seines Herzens. Sie wohnte also hier im Carlton! Wahrscheinlich hatte sie mit der Schwester die teuerste Suite bezogen: ganz sicher aber hatte sie keine Lust, schon vor Mitternacht das Bett aufzusuchen. Diese Amerikanerinnen! Es war erstaunlich, woher sie die Selbstsicherheit nahmen, allein eine Bar zu betreten. Eine junge Engländerin aus vergleichbaren Kreisen würde das nie gewagt haben. Bei Constance Britton wirkte es völlig natürlich. Man merkte ihr an, daß sie einen guten Teil ihrer freien Abende in exklusiven Bars und Lokalen verbrachte.
    Zu seinem Erstaunen bestellte sie sich ein alkoholfreies Getränk. Sie legte die schlanken Hände um das Glas, als ob sie Kühlung suchte. Ihre Unterlipppe war leicht nach vorn geschoben und sie starrte ins Leere. Ashton erkannte plötzlich, daß sie sich über etwas ärgerte oder Kummer machte. Es war für ihn in der Tat eine höchst erstaunliche Entdeckung, daß ein Luxusgeschöpf dieser Klasse solchen Stimmungen ausgesetzt sein konnte. Er hatte immer geglaubt, daß ein Maximum an Jugend, Schönheit und Reichtum die Welt in eine helle, strahlende Bühne verwandeln müßte, auf der es keine düsteren Szenen gab.
    Neben Constance Britton war ein Barhocker frei. Ashton zögerte. Er wollte nicht aufdringlich erscheinen, andererseits wußte er, wie dankbar die Rolle des geschickten Trösters zu sein vermag. Er bedeutete dem Mixer, das Glas umzustellen, und nahm dann neben Constance Platz.
    „Gestatten Sie?" fragte er lächelnd. „Wie ich sehe, liegt es in Ihrer Absicht, die Aufregungen einer englischen Cocktail-Party bei einem Glas Fruchtsaft zu vergessen."
    Sie lächelte ihm in die Augen. Jetzt, wo er nur durch eine Körperbreite von ihr getrennt war, empfand er die Schönheit des Mädchens als makellos und atemberaubend. Constances Augen flimmerten wie tiefe, silbrige Schächte, und die Haut war so glatt, daß man in Versuchung geriet, mit den Fingerspitzen zärtlich darüber hinweg zu streichen. Das leuchtende Blondhaar war seidenweich und gepflegt. Es saß wie eine kostbare Krone auf dem schmalen Gesichtsoval.
    Er spürte ihr Parfüm . . . einen herbsüßen Duft, der ihm das Herz zusammen schnürte.
    Hau ab, warnte er sich, verschwinde und zieh dich unter irgendeinem Vorwand zurück! Denke an den Standpunkt, den du solange erfolgreich vertreten hast! Begehe nicht den Fehler, dein Herz an dieses junge Manchen zu verlieren . . .
    Aber die Einwände seines Verstandes zerfaserten unter ihrem zauberhaft liebenswürdigen Lächeln.
    „Anscheinend haben Sie keine sehr hohe Meinung von den Annehmlichkeiten des englischen Party-Lebens."
    Ihre Stimme war überraschend dunkel und samtig . . . viel dunkler, als Ashton das von einem so licht wirkenden Geschöpf erwartet hatte.
    Er lächelte leise. „Unsere Parties sind sterbenslangweilig", bekannte er. „Ich wette, daß Sie sich innerlich über die Gesellschaft lustig gemacht haben. Sicher sahen Sie in uns spießige, trockene Gesellen, mit denen Sie nichts verbindet."
    Er äußerte das lächelnd, fest von dem überzeugt, was er sagte, und ohne daran zu denken, daß er Fergusons Gedanken fast wörtlich übernommen hatte.
    „Unsere Parties sind ebenfalls weit davon entfernt, vollkommen zu sein", wich sie aus, „Immer treffen sehr viele und sehr reizende Leute zusammen; es wird viel gesprochen und
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