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Der unheimliche Kommissar Morry

Der unheimliche Kommissar Morry

Titel: Der unheimliche Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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noch mehr getrunken, und am Schluß fragt man sich, was das Ganze für einen Sinn gehabt haben soll."
    Er seufzte und drehte sein Glas zwischen den Fingern. „Es ist unser gutes Recht, immer nach dem Sinn der Geschehnisse zu fragen, aber ich muß gestehen, daß dabei selten eine befriedigende Antwort herauskommt. Uns fehlt die Basis, uns fehlt die Antwort auf die grundlegende Frage: wir wissen nicht, woher wir kommen, und wir wissen nicht, wohin wir gehen."
    Während er sprach, bemühte er sich, die Mitte zwischen einem charmanten Plauderton und grüblerischem Ernst zu halten. Er wußte noch nicht, was ihr gefiel, und er wollte unter allen Umständen vermeiden, als langweilig zu gelten.
    „Das Leben hat einen Sinn", sagte sie und blickte geradeaus, als lese sie den Text von den vielen buntetikettierten Flaschen ab. „Es hat den Sinn, daß wir in Güte und Würde eine tiefere Befriedigung finden. Es ist vor allem unsere Pflicht, niemand weh zu tun."
    Er fand ihre Antwort enttäuschend banal und erwiderte mit einem leicht spöttischen Unterton: „Niemand wehtun? Das ist leicht gesagt, gnädiges Fräulein. In der Praxis ist es schlechthin unmöglich. Ich möchte wetten, daß besonders Sie, wenn auch oft gegen Ihren Willen, gezwungen sein dürften, anderen Menschen weh zu tun."
    „Wie meinen Sie das?"
    Er zuckte mit den Schultern, die von dem tadellos geschnittenen Abendanzug bekleidet waren und eine außergewöhnliche Breite aufwiesen.
    „Es liegt nahe, daß man sich oft um Ihre Gunst bemühen wird“, sagte er. „Es ist ebenso klar, daß Sie dieses verständliche männliche Streben nicht in jedem Fall anzuerkennen vermögen."
    Der Blick ihrer silberhellen Augen ruhte mit einem schwer definierbaren Ausdruck auf ihm. „Ich habe Angst", erklärte sie plötzlich.
    Ashton legte die Stirn in Falten. Die überraschende Feststellung des Mädchens stand in keinem Zusammenhang mit den bisher gemachten Bemerkungen; sie kam so unvermittelt, daß er sich unwillkürlich umschaute, um die Quelle von Constances Furcht zu entdecken. Aber er gewahrte nur die Leute, die er schon vorher gesehen hatte: eine Gruppe eleganter Müßiggänger beiderlei Geschlechts, die in dieser fashionablen Bar ihren .Nightcap' einzunehmen pflegten.
    „Angst?" fragte er verblüfft. „Wovor?"
    Constance Britton lächelte gezwungen. Sie starrte ihr Glas an und preßte erneut die Hände um die glatte, kühle Fläche. Plötzlich glaubte er zu wissen, warum sie das tat. Sie bemühte sich, ein Zittern der Hände zu unterdrücken. Wie erklärte sich dieses sonderbare Benehmen? Er dachte an das nachdenklich-sorgenvolle Gesicht, das sie kurz nach ihrem Erscheinen an der Bar gezeigt hatte, und er fragte sich verwundert, welche Ursache diesem Phänomen zugrunde liegen mochte.
    Constance hob die glatten, runden Schultern und ließ sie wieder fallen. Es war eine hilflose Geste, die jeden Mann gerührt hätte, die aber bei Ashton Cabott nur eine Mischung von Neugier und Begehren auslöste.
    „Ich weiß es nicht", sagte sie leise.
    Er war ein bißchen ratlos und nippte einige Male an seinem Glas. Nachdem er es abgestellt hatte, fragte er: „Fühlen Sie sich bedroht?"
    „Nein . . . und ja. Ich spüre, daß etwas in der Luft liegt. Etwas Unheimliches . . . Schreckliches."
    „Was veranlaßt Sie, diese Befürchtungen zu hegen?"
    „Ich habe mich schon wiederholt danach gefragt. Ich kann nur sagen, daß die Befürchtungen bis jetzt — zum Glück! — auf intuitiven Regungen beruhen. Sie mögen vielleicht darüber lächeln und meine Furcht für das Ergebnis überspannter Mädchengefühle halten . . . aber ich kann mich einfach nicht dagegen wehren."
    „Hängt es möglicherweise mit Ihrer Schwester zusammen?"
    Sie musterte ihn erstaunt. „Kennen Sie meine Schwester?"
    Er begriff, daß er einen Fehler begangen hatte, und schüttelte heftig den Kopf. „Nein, nicht persönlich. Bei den Burleys erwähnte nur irgend jemand, daß Sie mit Ihrem Fräulein Schwester nach London gekommen seien."
    „Das stimmt. Ich bin mit Britta hier."
    „Britta Britton", murmelte Ashton. „Ein hübscher Name!"
    „Ich hatte sie gebeten, mir heute Abend Gesellschaft zu leisten. Aber sie ist ziemlich menschenscheu."
    „Das kann ich verstehen. Heute habe ich zum ersten Mal etwas ganz Ä hnliches empfunden. Diese langweiligen Parties! Diese sich ewig gleichbleibenden Gesichter und Gespräche! Der dumme Klatsch! Manchmal fragt man sich, warum man seine Zeit mit derlei Banalitäten
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