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Der unheimliche Kommissar Morry

Der unheimliche Kommissar Morry

Titel: Der unheimliche Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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wurde. Er spielte viel Tennis und brachte oft ganze Tage auf dem Golfplatz zu. Sein gebräuntes Gesicht mit den gesunden, weißen Zähnen, dem dichten, dunklen Haar und den tiefblauen, etwas verträumten Augen, erinnerte an einen berühmten englischen Filmschauspieler der ersten Garnitur, und Ashton mußte sich immer wieder sagen lassen, daß er diesem Star zum Verwechseln ähnlich sehe.  
    Man hatte ihm das so oft versichert, daß er bereits seine kriminelle Phantasie in Bewegung gesetzt hatte, um herauszufinden, ob sich damit ein Geschäft machen ließe. Bis jetzt war ihm jedoch noch nichts Passendes eingefallen. Nichtsdestoweniger hatte er ein Detektivbüro damit beauftragt, alles Wissenswerte über den Schauspieler zusammenzutragen. Abends las er amüsiert die ausführlichen Berichte. Er studierte die törichten Bemerkungen, die der eitle Schauspieler zu machen pflegte, er lächelte über die Liebeleien, denen sich Tab Bromley aussetzte, und er lernte alles über den sozialen Hintergrund und die recht entbehrungsreiche Jugend, die Tab Bromley durchgemacht hatte.
    Auch mit Ashton Cabotts Kindheit war es nicht weit her. Er hatte zwar nie wirkliche Not kennengelernt, aber sein Vater, ein pensionierter Oberst, hatte leider einer unseligen Spielleidenschaft gefrönt, die den Cabotts viel Nerven und Geld gekostet hatte. Ashtons Mutter war früh gestorben. Mit seinem Vater hatte ihn nichts verbunden. Vielleicht war es dem Mangel elterlicher Liebe zuzuschreiben, daß er zu einer besonders selbstsüchtigen Einstellung gelangt war. Merkwürdig war nur, daß es ihn nie nach menschlicher Liebe und Wärme verlangte. Er liebte das Geld und den Besitz, und das genügte ihm.
    Ashton verreiste nie. Er blieb in London, seinem bevorzugten Jagdrevier, obwohl es ihn in den Sommermonaten übers Wochenende oft nach Brighton verschlug. Im Grunde genommen haßte er Brighton mit seiner Menschenfülle und seinem Jahrmarktstrubel, aber in den besseren Hotels ergatterte er immer wieder gute Informationen, denen sich nachzugehen lohnte.
    Er redete sich ein, ein sattes und friedliches Leben mit einer wohldosierten Portion Aufregung zu führen. Er verachtete die Leute, die jeden Morgen pünktlich um neun Uhr mit Bowlerhut und Regenschirm ihre Büros in der Londoner City betraten, und er machte sich über jene lustig, die sich aus innerer Überzeugung zu Recht und Moral bekannten. Ashton Cabott trieb keinen allzu aufwendigen Lebenswandel. Er verkehrte zwar in der besten Gesellschaft, aber er vermied es, wie ein Snob aufzutreten. Er hatte gelernt, daß die Kunst des ,Understatements', der Tiefstapelei, die beste Empfehlung ist, um sich der allgemeinen Sympathien zu versichern. Auch an dem Abend, als er den großen Salon der Burleys betrat, gab er sich mit der ihm eigenen charmanten Bescheidenheit, die ihn so gewinnend erscheinen ließ. Er kannte die meisten der Anwesenden. Den wenigen, die er noch nicht gesehen hatte, wurde er vorgestellt. Unter den Neuankömmlingen befand sich ein etwa zwanzigjähriges Mädchen von bezwingender, strahlender Schönheit, eine Amerikanerin, die den Pol bildete, um den sich alles zu drehen schien.
    Ashton beobachtete sie verstohlen. Er bemerkte, daß ihre bloße Gegenwart die Männer faszinierte und elektrisierte, während die Frauen neidvolle und mißtrauische Blicke auf das Mädchen warfen. Ganz sicher waren dem Mädchen diese Reaktionen nichts Neues. Sie hinterließ einen natürlichen, selbstsicheren Eindruck. Im Moment plauderte sie mit der Gastgeberin, der dicken, gutmütigen Mrs. Burley, die so alt und so reich war, daß sie sich den Luxus dummer Eifersüchteleien versagen konnte.  
    „Hallo, Ashton!" sagte jemand hinter ihm.
    Es war Gilbert Ferguson, ein hagerer Mittvierziger, dem man ansah, daß er wiederholt unter Malariaanfällen zu leiden hatte. Ashton hatte Ferguson vor kaum einem Jahr um zehntausend Pfund erleichtert. Gilbert Ferguson, der verheiratet war, hatte den Fehler begangen, eine Verkäuferin zur Freundin zu wählen, und er hatte das Pech gehabt, daß die Verbindung nicht ohne Folgen geblieben war. Ashton hatte davon erfahren und seine kleine gut funktionierende Erpressermaschine in Tätigkeit gesetzt. Ferguson wußte bis zum heutigen Tag noch nicht, an wen die zehntausend Pfund gegangen waren, und es wäre ihm nicht einmal im Traum eingefallen, den bescheiden-freundlichen Ashton Cabott dieser Tat zu verdächtigen.
    „Guten Abend, Gilbert", grüßte Ashton lächelnd. „Wie geht es dir, mein
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