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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige
Autoren: Jane Casey
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und packte den Ordner, Ich ließ ihn mir widerstandslos aus den Händen nehmen. Gelangweilt blätterte er die verbliebenen Fotos durch, bis er innehielt. » Angela. Die war die Älteste. Und das war auch das Problem. Hat einfach zu lange gedauert, sie dazu zu kriegen, dass sie sich anpasst. «
    » Was ist mit ihr passiert? « , fragte ich und wollte die Antwort eigentlich gar nicht hören.
    » Kann mich nicht erinnern. « Lee lächelte knapp. » War nicht besonders interessant, glaube ich. Jedenfalls gibt’s die nicht mehr. «
    » Sie haben uns auch erzählt, Patricia sei tot. « Godley klang ungehalten. » Woher sollen wir wissen, dass Sie uns nicht wieder belügen? «
    » Ich hab Ihnen doch gesagt, wo Sie die Leichen finden. Buddeln Sie doch einfach. « Er starrte mich immer noch an.
    » Warum haben Sie gerade Cheyennes Leichnam zurückgebracht und nicht die anderen? «
    Lee sah an Godley vorbei auf die leere Wand und seufzte.
    » Ich glaube, ich weiß, warum. «
    » Würden Sie uns daran teilhaben lassen, Maeve? «
    » Weil sie Ihnen nie richtig gehört hat. « Ich warf einen nervösen Blick zu Lee. » Das stimmt doch, oder? Sie wollten sie nicht behalten, weil sie nicht Ihr Besitz war. Also haben Sie sie dahin zurückgebracht, wo Sie sie gefunden hatten. «
    » Mehr oder weniger. Die war halt ein Fehler. Fehler konnten wir nicht leiden. «
    » Warum haben Sie Ihren Onkel eigentlich nicht auch begraben? «
    » Er ist einfach gestorben. Wir brauchten das Haus, aber er hatte es der Wohlfahrt versprochen. Wir konnten also keinem sagen, dass er tot ist. Deshalb haben wir ihn liegen lassen und so getan, als ob er immer noch dort rumhängt. Wenn es jemand rausgefunden hätte, hätten wir halt einfach gelogen und gesagt, dass wir nicht wussten, dass er da oben war. Das war das Beste so. Wenn wir ihn begraben hätten, wäre das schwerer zu erklären gewesen. «
    » Sehr clever « , sagte ich, gab den Rehaugenblick auf und ließ anhand meines Tonfalls ein kleines bisschen anklingen, was ich in Wirklichkeit für ihn empfand.
    » Okay. Ich unterbreche an dieser Stelle, damit wir die Kollegen der Spurensicherung informieren können, die das Gelände absuchen werden. Verhör beendet um acht Uhr vierzig « , sagte Godley.
    Als das Gerät abgeschaltet war, fragte ich: » Warum haben Sie gesagt, dass Patricia schon tot sei? Warum diese Lüge? «
    » Weil es mir egal war, ob das tot war. «
    » Das? « Ich stand auf und spürte, wie mir die Knie zitterten. » Lassen Sie mich Ihnen mal was sagen. Patricia ist couragierter, als Sie jemals sein werden. Patricia hat überlebt. Und wollen Sie noch was wissen? Patricia spricht nie von Ihnen. Sie spricht über Ihren Bruder, aber Sie erwähnt sie nicht mal. Patricia weiß kaum, dass Sie existieren, und es ist ihr auch völlig egal. «
    » Das ist nicht wahr. «
    » Ich fürchte doch. Sie kannte noch nicht mal Ihren Namen. « Ich ging zur Tür. » Sie hat auch nicht gefragt, wo Sie sind oder was mit Ihnen ist. Sie werden im Knast schmoren, aber sie wird ihr Leben weiterleben, und ich glaube nicht, dass sie auch nur einmal an Sie denken wird. «
    Ich war schon halb den Gang hinunter und knöpfte mir gerade die Bluse zu, als Godley mich einholte. » Gut gemacht. «
    » Dass ich ihn so angeblafft habe? «
    » Dass Sie ihn zu einem Geständnis gebracht haben. «
    » War ja nicht so schwer, oder? «
    » Ich hab’s nicht geschafft « , sagte Godley nur. » Wirklich gut gemacht. «
    » Ich hab nur meinen Job gemacht, und zwar so, wie sich das Derwent und Belcott immer vorstellen. Grandios fühlt sich das jetzt nicht für mich an, um ehrlich zu sein. «
    » Aber Sie haben erkannt, was dieses Ekel hören musste– und wie er sich fühlen musste–, um ihn zum Reden zu kriegen. Sie haben ihm geschmeichelt. Sie haben ihm das Gefühl vermittelt, dass er die Fäden in der Hand hält. Und Sie haben wahrscheinlich aus ihm rausbekommen, wie die drei vermissten Frauen hießen und wo wir ihre Leichen finden, was der eigentliche Zweck unserer Arbeit hier war. Sie haben sie ihren Familien zurückgegeben. Das ist das Einzige, was wir in diesem Stadium hoffen können zu erreichen, aber das gut zu machen, ist es wert. «
    » Danke. « Sein Lob machte es umso schwerer, das zu tun, was ich nun tun musste, aber mir blieb keine Wahl. » Können wir jetzt kurz miteinander sprechen? «
    Godley nickte und steuerte auf sein Büro zu. Er blieb neben der Tür stehen und schloss sie, nachdem ich hindurch war. Ich
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