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Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Titel: Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
Autoren: H kan Nesser
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würde ... zu Anfang, meine ich. Jetzt weiß ich es. Aber ich habe noch keine Gelegenheit gefunden, mit ihm zu sprechen. Dazu braucht es doch Zeit und den richtigen Moment.«
    »Du bist dir ganz sicher?«

    »Ja.«
    »Dass du dich von ihm scheiden lassen willst?«
    »Ja.«
    »Warum habt ihr keine Kinder?«
    »Weil ich keine wollte.«
    »Mit deinem Mann oder überhaupt?«
    Sie schüttelte vage den Kopf. Er begriff, dass sie über dieses Thema nicht sprechen wollte. Sie schwiegen eine Weile und betrachteten das aufgewühlte Meer.
    »Wir sind erst seit drei Jahren verheiratet. Und es war von Anfang an ein Fehler. Es war idiotisch.«
    Er nickte.
    »Was hat er für einen Beruf?«
    »Im Moment ist er arbeitslos. Hat bei Zinders gearbeitet. Aber die haben den Betrieb ja eingestellt.«
    »Hört sich traurig an.«
    »Ich habe auch nie behauptet, dass es besonders lustig ist.«
    Sie lachte. Er legte den Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich.
    »Aber du hast wirklich keine Zweifel?«
    »Nein«, sagte sie. »Ich will nicht mit ihm zusammenleben, das habe ich die ganze Zeit gewusst.«
    »Warum hast du ihn geheiratet?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Dann heirate doch lieber mich!«
    Das war ihm einfach so herausgerutscht, aber ihm ging sofort auf, dass er es wirklich meinte.
    »Wow«, hatte sie geantwortet und gelacht. »Wir haben uns schon zweimal getroffen, und erst jetzt fragst du endlich, ob wir heiraten sollen. Sollten wir nicht auf jeden Fall zuerst zu dir fahren und etwas essen, so wie wir das geplant hatten?«
    Er dachte nach.
    »Vielleicht«, sagte er. »Doch, du hast schon Recht, ich habe einen Wolfshunger.«

     
    Später an diesem Abend hatte er seinen Heiratsantrag nicht wiederholt, er hatte ihn aber auch nicht zurückgezogen. Er fand, das Thema könne ein wenig in der Luft schweben, ohne eine Stellungnahme oder einen Kommentar zu benötigen. Wie eine zwischen ihnen gespannte Saite, die nicht angeschlagen werden musste, die aber doch vorhanden war und sie miteinander verband. Er glaubte auch Vera anzusehen, dass sie nichts dagegen hatte. Dass es ihr ähnlich erging.
    Es war eine Art Geheimnis. Und ein Bund.
    Als sie sich später liebten, hatten sie das Gefühl, aus dem Brunnen der Liebe zu trinken.
     
    Unbegreiflich, im Grunde war es unbegreiflich.
    Wie konnte das Leben ohne Vorwarnung in ganz neue Bahnen geworfen werden, in Bahnen, die alles Vertraute, alle Vernunft und alle Lebenserfahrung auf den Kopf stellten? Wie war das möglich?
    Und noch dazu in nur wenigen Wochen. Zuerst war der entsetzliche Donnerstagabend gekommen, danach Vera Miller und die Liebe. War das denn überhaupt noch zu verstehen?
    Während des restlichen Sonntagabends lag er vor allem auf dem Sofa, er hatte nur eine Kerze angezündet und dachte darüber nach, wie er zwischen den Extremen hin und her geschleudert wurde. Zwischen der Empfindung einer schwankenden, bebenden und brechenden Wirklichkeitsauffassung einerseits — und einer sehr ruhigen und rationalen Bewertung seiner eigenen Situation andererseits. Vernunft und Gefühl, aber ohne Verbindung, ohne Synapsen.
    Nach und nach beschloss er, dass hier trotz allem nicht die Rede davon sein konnte, er sei völlig aus der Bahn geworfen worden. Es gab nur eine Wirklichkeit, und die spielte sich die ganze Zeit ab; seine Empfindung dieser Wirklichkeit und sein Versuch, sie zu kontrollieren, waren unverändert, nur sein Blickwinkel wechselte. Seine Perspektive.
    Die Vorder- und die Kehrseite der Medaille, dachte er. Wie
ein Wechselstromschalter. Das Alltägliche und das Unbegreifliche. Leben und Tod? Die dünne Haut dazwischen.
    Seltsam.
    Nachdem er im Radio die Elf-Uhr-Nachrichten gehört hatte, griff er wieder zu dem Brief. Las ihn noch einmal, dann setzte er sich an seinen Schreibtisch. Blieb eine ganze Weile dort sitzen und ließ seinen Gedanken freien Lauf, und bald, sehr bald, zeigte sich ihm eine weitere Handlungsalternative, wo er vorher nur zwei gesehen hatte.
    Ein dritter Weg! Das sprach ihn an. Er saß noch lange und versuchte Vor- und Nachteile abzuwägen.
    Noch war es jedoch zu früh, um einen endgültigen Entschluss zu fassen. Noch viel zu früh. Solange dieser »Freund« ihm keine genaueren Instruktionen erteilt hatte, konnte er nur warten.
    Auf die Montagspost!

5
    Er kam zwanzig Minuten zu früh. Und während er auf dem einsamen Parkplatz wartend im Auto saß, las er die Instruktionen ein weiteres Mal. Nicht, weil das nötig gewesen wäre, damit hatte er schließlich den
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