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Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Titel: Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
Autoren: H kan Nesser
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gefallen war, in diesen ziemlich rationalen Bahnen zu denken. Der Brief war bei ihm wie eine Bombe eingeschlagen, aber sowie er angefangen hatte, sich an die Tatsache zu gewöhnen und sie als solche zu akzeptieren, hatte er sich mit den logischen und relevanten Fragen beschäftigt.
    Während der ganzen Woche und jetzt, am Sonntagnachmittag.
    Warum nur zehntausend?
    Was bedeutete das? Sollte das nur die erste Rate sein?
    Und wer war es? Wer hatte ihn gesehen und sah nun die Möglichkeit, an seinem Unglück Geld zu verdienen? Und an dem des Jungen?
    Der Fahrer des Motorrollers oder eines der beiden Autos, die vorübergefahren waren, als er mit dem leblosen Leichnam in den Armen unten im Graben gestanden hatte? Oder oben am Straßenrand.
    Gab es noch andere Alternativen? Das glaubte er nicht.
    Auf jeden Fall musste es das Auto gewesen sein, sein eigener roter Audi, der ihn verraten hatte, davon musste er nun langsam ausgehen. Irgendwer hatte sich darüber gewundert, dass der auf diese ungewöhnliche Weise am Straßenrand stand, hatte sich die Autonummer eingeprägt und auf diese Weise den Besitzer feststellen können.

    Er war davon überzeugt, dass es so gewesen sein musste. Mehr und mehr überzeugt; er glaubte kaum noch, dass es auch andere Möglichkeiten geben könne — bis ihm ein weiterer entsetzlicher Gedanke kam.
    Der Junge konnte an diesem Abend Gesellschaft gehabt haben. Es konnte sich doch um zwei junge Menschen gehandelt haben, die an der Straße entlanggegangen waren, doch dann war nur der Junge auf so fatale Weise gegen die Zementröhre geschleudert worden.
    Ein Stück weiter entfernt ... einige Meter auf der anderen Seite der Röhre könnte eine benommene Freundin gelegen haben. . . nein, keine Freundin, die war in der Stadt gewesen, das hatte er in der Zeitung gelesen ... eher ein Kumpel oder ein zufälliger Begleiter ... der ohnmächtig im Schutz der Dunkelheit gelegen hatte. Oder der unter Schock stand und in panische Angst ausgebrochen war angesichts des toten Jungen und des Mannes, der den Jungen in den Armen hielt, während Blut in die Kapuze tropfte ...
    Das war natürlich ein grauenhaftes Szenario, und obwohl er sich immer wieder sagte, dass es nicht sonderlich glaubhaft war, so stellte es sich doch mit einer gewissen Hartnäckigkeit immer wieder ein. Rein klinisch versuchte er ebenfalls, sich diese makabre Variante — diese unwahrscheinliche Möglichkeit — aus dem Kopf zu schlagen, da sie auf jeden Fall unwichtig war. Irrelevant. Es spielte keine Rolle, wer ihn in der Unglücksnacht gesehen oder wie diese Person Kenntnis von den Umständen des Unfalls erhalten hatte. Die anderen Fragen verlangten Aufmerksamkeit und Konzentration.
    Und Entschlusskraft.
    Konnte er sich also darauf verlassen, dass es mit diesem einen Mal getan sein würde?
    Mit zehntausend Gulden. Dass er dieses eine Mal und später nie wieder bezahlen müsste?
    Das war der springende Punkt. Welche Garantie konnte der Briefeschreiber (die Briefeschreiberin?) ihm dafür geben, dass
— nachdem das Geld einkassiert und ausgegeben worden war — nicht nach einigen Monaten neue Forderungen gestellt werden würden? Oder nach einigen Jahren?
    Oder dass dieser Mensch nicht auf jeden Fall zur Polizei gehen und ihn anzeigen würde?
    Sollte er eine solche Garantie verlangen? Und wie könnte diese dann aussehen?
    Oder — und das war natürlich die allerwichtigste Frage — sollte er nicht einsehen, dass er sich in einer unmöglichen Situation befand? Sollte er nicht begreifen, dass das Spiel verloren war und dass er nun selber die Polizei informieren musste?
    Sollte er nicht aufgeben?
    Am Sonntagabend war er noch immer nicht zu einer endgültigen Antwort auf diese Fragen gelangt. Dass er bereits am Freitag bei der Sparkasse vorbeigeschaut und elftausend von seinem Konto abgehoben hatte, musste nicht unbedingt als Entscheidung gelten.
    Sondern nur als Zeichen dafür, dass er sich weiterhin alle Türen offen hielt.
     
    Er dachte aber auch an das Gespräch, das sie am Samstag geführt hatten.
    »Dein Mann?«, hatte er gefragt, als sie sich nach einem langen Strandspaziergang wieder dem Auto näherten. »Hast du es ihm gesagt?«
    »Nein«, hatte sie geantwortet und ihre Haare aus ihrer Strickmütze befreit. War mit der Hand hindurchgefahren und hatte sie mit einer Bewegung ausgeschüttelt, die ihm übertrieben vorgekommen war, sicher hatte sie Zeit zum Nachdenken gewinnen wollen. »Ich wusste ja nicht, wie ernst die Sache mit dir werden
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