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Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Titel: Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
Autoren: H kan Nesser
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»Ich hatte vergessen ...«
    Sie zuckte mit den Schultern. Ihr Großvater war einen Monat zuvor gestorben, sie hatten sich eine Weile darüber unterhalten.
    »Das macht nichts. Ich mag dich trotzdem. Wir sehen uns morgen in der Schule.«
    »Machen wir. Aber jetzt muss ich wirklich gehen.«
    »Soll ich dich nicht wenigstens zur Bushaltestelle bringen?«

    Er schüttelte den Kopf. Öffnete die Wohnungstür.
    »Sei nicht albern. Es sind doch nur zwanzig Meter.«
    »Ich mag dich«, sagte das Mädchen.
    »Ich dich auch«, sagte der Junge, der bald sterben würde. »Und wie!«
    Sie umarmte ihn zum letzten Mal, und er lief die Treppen hinunter.
     
    Der Mann, der bald töten würde, sehnte sich nach Hause.
    Nach seinem Bett oder nach seiner Badewanne, das wusste er nicht so genau.
    Nach beidem vermutlich, entschied er, während er heimlich auf seine Armbanduhr schaute. Zuerst ein richtig heißes Bad, dann das Bett. Warum sollte man entweder-oder sagen, wenn man auch sowohl-als-auch haben konnte? Himmel, er saß hier jetzt schon seit über vier Stunden mit diesen Trotteln zusammen. . . vier Stunden! Er schaute sich am Tisch um und fragte sich, ob einer von den anderen dasselbe Gefühl haben könnte. Und alles ebenso satt haben wie er selber.
    Es sah nicht danach aus. Muntere und entspannte Gesichter überall; ein wenig kam das natürlich vom Alkohol, aber die anderen schienen sich in dieser Gesellschaft offenbar wohl zu fühlen. Sechs Herren in ihren besten Jahren, dachte er. Erfolgreich und wohlhabend, zumindest nach normalen Maßstäben. Möglicherweise sah Greubner ein wenig müde und niedergeschlagen aus, aber vermutlich kriselte es wieder einmal in seiner Ehe ... oder in der Firma. Oder warum nicht in beidem, wie gesagt?
    Nein, jetzt reicht es, beschloss er und kippte den letzten Cognacrest. Wischte sich mit der Serviette die Mundwinkel und erhob sich langsam.
    »Ich sollte jetzt wohl«, setzte er an.
    »Schon?«, fragte Smaage.
    »Ja. Morgen ist auch noch ein Tag. Und mehr hatten wir doch nicht auf der Tagesordnung?«

    »He«, sagte Smaage. »Wenn, dann noch ein Cognäcchen. He.«
    Der Mann, der bald töten würde, erhob sich endgültig.
    »Ich sollte jetzt auf jeden Fall«, sagte er noch einmal und ließ den Satz absichtlich in der Schwebe. »Darf man den Herren eine gute Nacht wünschen, und sumpft hier nicht mehr allzu lange herum.«
    »Prost«, sagte Kuijsma.
    »Friede, Bruder«, sagte Lippmann.
    Draußen im Foyer merkte er plötzlich, dass er wirklich ziemlich viel getankt hatte. Es fiel ihm schwer, in den Mantel zu finden, so schwer jedenfalls, dass der tätowierte Athlet hinter dem Garderobentresen sich die Mühe machte, dahinter hervorzukommen, um ihm zu helfen. Das war unleugbar ein wenig peinlich. Eilig lief er die kurze Treppe hinunter, in die erfrischende Kühle der Nacht hinaus.
    Regen hing in der Luft, und die schwarz glänzenden Pflastersteine auf dem Markt erzählten von dem Guss, der sie vor nicht langer Zeit getroffen hatte. Der Himmel wirkte unruhig und verhieß noch weitere Schauer. Der Mann band sich sein Halstuch um, bohrte die Hände in die Taschen und ging an der Zwille entlang zum großen Platz, wo sein Wagen stand. Gar nicht blöd, so ein kleiner Spaziergang, dachte er. Schon nach einigen hundert Metern wird man viel klarer im Kopf. Was bestimmt nicht schadet.
    Die Uhr am Warenhaus Boodwick zeigte zwanzig Minuten nach elf, als er an dessen hell erleuchteten Eingang vorüberkam, doch der Ruyders Plein lag dunkel und verlassen da wie eine vergessene Grabstätte. Über der Langgraacht hing jetzt der Nebel, und als er die Eleonorabrücke überquerte, rutschte er einige Male aus; die Temperatur konnte nur um weniges über Null liegen. Er schärfte sich ein, vorsichtig zu fahren. Überfrierende Nässe und Alkohol im Blut waren keine gute Kombination. Für einen kurzen Moment erwog er sogar, sich ein Taxi zu nehmen, aber er konnte keins sehen, und so ließ er diese Idee
wieder fallen. Außerdem würde er am nächsten Morgen das Auto sehr früh brauchen, und die Vorstellung, es auf dem großen Platz stehen zu lassen, kam ihm nicht sonderlich attraktiv vor. Obwohl er erst kürzlich eine ziemlich aufwändige Alarmanlage hatte einbauen lassen, wusste er ja, wie die Lage war. Es wäre keine Kunst für zwei geschickte Diebe, das Auto aufzubrechen, die Stereoanlage herauszuholen und sich in Sicherheit zu bringen, ehe irgendwer auch nur begriffen hätte, was vor sich ging. So war es nun einmal, stellte er
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