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Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Titel: Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
Autoren: H kan Nesser
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dastand, stellte sich nach und nach langsam ein Gedanke ein, der, wie er sich erinnerte, schon am vergangenen Abend zur Stelle gewesen war — und später, in den verzweifelten, durchwachten Stunden, nach denen er dann endlich doch hatte einschlafen können.
    Nichts war passiert. Rein gar nichts.
    Er ging hinaus in die Küche. In der Speisekammer stand eine ungeöffnete Whiskyflasche. Glenalmond, von einer Sommerreise. Er drehte den Verschluss ab und nahm zwei große Schlucke. Konnte sich nicht daran erinnern, das in seinem Leben schon einmal getan zu haben. Whisky direkt aus der Flasche getrunken, nein, niemals.
    Er setzte sich an den Küchentisch, stützte den Kopf in die
Hände und wartete darauf, dass der Alkohol sich in seinem Körper verteilte.
    Nichts ist passiert, dachte er.
    Danach stellte er Kaffeewasser auf und machte sich an die Analyse seiner Lage.
     
    In den Morgenzeitungen stand keine Zeile. Weder im Telegraaf, den er abonniert hatte, noch im Neuwe Blatt, das er am Kiosk kaufte. Für einige glückliche Augenblicke konnte er sich fast einreden, dass er doch nur geträumt habe, doch sobald er sich an Regen und Graben und Blut erinnerte, wusste er, dass er sich täuschte. Es war wirklich. So wirklich wie der Whisky auf dem Tisch. Wie die Krümel neben dem Toaster. Wie seine eigenen Hände, die ohnmächtig und mechanisch in den Zeitungen blätterten, sie auf den Boden fegten und zur Flasche zurückkehrten.
    Er hatte einen Jungen getötet.
    War in angetrunkenem Zustand Auto gefahren und hatte einen halbwüchsigen Jungen von fünfzehn oder sechzehn Jahren umgebracht. Hatte im Regen im Straßengraben gestanden, mit dem Leichnam im Arm, und hatte ihn dann liegen lassen und war nach Hause gefahren.
    So war das. Nichts daran zu ändern. Unwiderruflich.
    Erst um einige Minuten vor zehn schaltete er das Radio ein, und die Zehn-Uhr-Nachrichten brachten dann die Bestätigung.
    Ein Junge. Vermutlich auf dem Heimweg nach Boorkheim. Name noch nicht bekannt.
    Der Unfallort dafür umso mehr.
    Irgendwann in der Nacht. Zwischen elf und ein Uhr, vermutlich. Der Leichnam war erst am frühen Morgen gefunden worden.
    Aller Wahrscheinlichkeit nach sofort tot.
    Keine Zeugen.
    Von einem Auto angefahren; auch dies aller Wahrscheinlichkeit nach. Der Fahrer musste den Zusammenstoß bemerkt haben. Aufruf an alle, die während der Nacht die Unfallstätte
passiert hatten, und an alle, die glaubten, irgendwelche Auskünfte erteilen zu können. Die Polizei wollte gern Kontakt aufnehmen zu allen, die ...
    Unfallort abgesperrt, der Regen hatte die Arbeiten erschwert, gewisse Hinweise sichergestellt ... Fahndung nach dem Fahrer, der Fahrerflucht begangen hatte ... abermaliger Aufruf an alle, die ...
    Er schaltete das Radio aus. Trichterte sich noch zwei Schluck Whisky ein und kehrte ins Bett zurück. Lag dort eine ganze Weile, in einem Chaos von Gedanken, doch als er an diesem grauen, nebligen Donnerstagmorgen zum zweiten Mal aufstand, hatten sich drei davon herauskristallisiert.
    Drei schwer wiegende Gedanken. Minutiös herausgearbeitete Schlussfolgerungen, an denen er nicht mehr rütteln wollte. Von denen er sich nicht entfernen würde, mochte kommen, was da wollte. Sein Entschluss stand fest, ganz einfach.
    Zum Ersten: Der Junge im Straßengraben war tot, und er trug daran die Schuld.
    Zum Zweiten: Egal, was er auch machte, der Junge würde davon nicht wieder zum Leben erweckt.
    Zum Dritten: Nichts wäre damit gewonnen, dass er sich der Polizei stellte. Rein gar nichts.
    Im Gegenteil, dachte er, was den dritten Punkt betraf. Warum ein zerstörtes Leben durch ein weiteres ersetzen? Sein eigenes?
    Wenn er sich das auf diese Weise überlegte, wusste er endlich, dass er auf dem richtigen Weg war. Endlich kannte er sich wieder. Endlich. Er musste einfach nur stark bleiben. Durfte sich nicht zerbrechen lassen.
    Mehr nicht.
     
    Während des Nachmittags ging er praktisch vor.
    Wusch in der Garage das Auto, von innen und von außen. Doch so genau er auch den rechten Teil von Front und Kotflügel unter die Lupe nahm, er konnte doch keine Schäden oder
Spuren entdecken: Er nahm an, dass er den Jungen ziemlich weit unten getroffen hatte, vermutlich in Kniehöhe mit der Stoßstange, einfach ein ganz leichter Stoß. Als er noch einmal versuchte, sich die Szene in dem nassen Straßengraben vorzustellen, hatte er den Eindruck, als sei der fatale Ausgang dieser Begegnung eher der Kollision mit der Zementröhre zuzuschreiben als dem Zusammenstoß
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