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Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Titel: Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
Autoren: H kan Nesser
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angeschlossen, wurde aus Greenpeace ausgeschlossen, weil sie einen Polizisten ins Gesicht gebissen hat. Hatte mit einigen Sekten zu tun und ist vermutlich zu Beginn der achtziger Jahre nach Kalifornien gegangen. Danach verliert sich ihre Spur. Ich weiß nicht, ob es viel bringen würde, nach ihr zu suchen.«
    Moreno seufzte.
    »Vermutlich nicht«, sagte sie. »Wir sollten uns wohl lieber auf die Weihnachtsfeiern konzentrieren und hoffen, dass Reinhart aus New York etwas mitbringt.«
    »Hältst du das für wahrscheinlich?«
    »Nicht sehr«, sagte Moreno. »Wenn ich ehrlich sein soll.«
    »Wie war Clausens Ex-Frau denn so?«
    Moreno überlegte kurz, wie sie sich ausdrücken sollte.
    »Ein anderer Typ als Kellers Ex auf jeden Fall«, sagte sie. »Der diskrete Faschismus der Bourgeoisie, so ungefähr. Oder eigentlich gar nicht so diskret, wenn ich mir das genauer überlege. Aber sie konnte mir nichts sagen, und ich glaube nicht, dass ich noch einmal mit ihr reden möchte.«

    »Reiches Miststück?«, fragte Jung.
    »So ungefähr«, sagte Moreno.
    Jung schaute auf die Uhr.
    »Ja ja, so so«, sagte er. »Können wir jetzt nicht nach Hause gehen? Maureen redet schon davon, dass ich mir eine andere Arbeit suchen soll. Und fast möchte ich ihr zustimmen.«
    »Und was möchtest du werden?«, fragte Moreno.
    »Weiß ich nicht so recht«, sagte Jung und zupfte sich nachdenklich an der Unterlippe. »Platzanweiser klingt doch nett.«
    »Platzanweiser?«
    »Ja. So einer, der im Kino Leute mit einer kleinen Taschenlampe zu ihrem Sitz führt und in der Pause Eis verkauft.«
    »So Leute gibt’s nicht mehr«, sagte Moreno.
    »Schade«, sagte Jung.
     
    Am Sonntagmorgen fuhr Kommissar Reinhart allein in die 44th Street nach Brooklyn. Er kam genau eine halbe Stunde zu spät; die Nachtwache war eben gegangen, aber das braune Haus mit der Nummer 602 über der Haustür war dennoch nicht unbeobachtet. Bloomguard hatte einen weiteren Wagen geschickt — er wusste ja, dass der europäische Kollege sich in der Stadt nicht sonderlich gut auskannte.
    Er hielt zwischen 554 und 556, wo es eine Parklücke gab, stieg auf der anderen Straßenseite in das Auto — ein dreißig Meter langes Oldsmobile — und wünschte Guten Morgen.
    Sergeant Pavarotti war klein und dünn und sah unglücklich aus. Reinhart wusste nicht, ob das am Namen lag oder andere Gründe hatte.
    Daran, dass er einen ganzen Sonntag in einem alten Auto in Brooklyn verbringen musste zum Beispiel.
    »Ich habe schon oft mit einem Namenswechsel geliebäugelt«, erklärte Pavarotti. »Manchmal gerate ich in Situationen, wo ich verdammt viel lieber Mussolini heißen würde. Ich singe schlimmer als ein Esel. Wie sieht’s in Europa denn so aus?«

    Reinhart erklärte, es sei so, wie es sei, und fragte, ob Pavarotti besondere Interessen habe.
    Baseball und Actionfilme, wie sich herausstellte. Reinhart blieb noch fünf Minuten sitzen, dann ging er zu seinem eigenen Wagen zurück. Er hatte Bloomguard gefragt, ob es nicht auffallen würde, wenn er hier Stunde um Stunde in einem Auto hinter dem Lenkrad säße, aber Bloomguard hatte nur gelacht und den Kopf geschüttelt.
    »Die Leute in diesen Buden schauen nie aus dem Fenster«, hatte er erklärt. »Außerdem sitzen hier überall einsame Männer in ihren Karren, dreh einfach eine Runde, dann siehst du es auch.«
    Eine Weile darauf machte Reinhart einen Spaziergang durch das ausgedehnte Viertel und konnte feststellen, dass Bloomguard die Wahrheit gesagt hatte. Auf beiden Straßenseiten standen überdimensionale Autos, und in jedem fünften oder sechsten saß ein Kaugummi kauender oder rauchender Mann. Oder einer, der in einer Tüte Kartoffelchips herumgrub. Die meisten trugen dunkle Sonnenbrillen, obwohl die Sonne weiter entfernt zu sein schien als das Mittelalter. Was soll das bloß?, dachte Reinhart.
    Außerdem war es kalt, sicher mehrere Grad unter Null, und derselbe feindselige Wind wie am Vortag kam vom Fluss herauf.
    Ich begreife diese Gesellschaft nicht, dachte Reinhart. Was zum Teufel machen die Leute hier? Was haben sie für Lebenslügen, die wir nicht kennen?
    Er schickte Pavarotti zu einer Kaffeepause. Pavarotti schien nicht so recht zu wissen, ob er von diesem zweifelhaften Kommissar überhaupt einen Befehl entgegennehmen durfte, zog aber am Ende dann doch los.
    Reinhart kletterte über die niedrige Steinmauer, die den Sunset Park umgab, und setzte sich auf eine Bank. Von hier aus hatte er Nummer 602 ebenso gut im Blick wie vom Wagen
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