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Der Triumph der Heilerin.indd

Titel: Der Triumph der Heilerin.indd
Autoren: Unbekannter Autor
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Kaufmann betrachtete die Braut, und auf seinem Gesicht breitete sich ein ehrfürchtiges Staunen aus.
    Wortlos streckte er Anne seinen Arm entgegen. Bevor Anne ihre Hand in die seine legte, drehte sie sich noch einmal zu den beiden Frauen um, ihren engsten Freundinnen. Sie wollte etwas sagen, doch Margaret eilte zu ihr hin, und die Spannung löste sich.
    »Der Schleier. Fast hätten wir den Schleier vergessen! Deborah, hilf mir.«
    Die Frauen breiteten das schlichte Vierecktuch aus feinster, mit Perlen eingefasster Seidengaze über Annes Kopf und setzten zur Befestigung vorsichtig einen einfachen Goldreif darüber. Der Stoff war so zart, so fein, dass er wie eine Wolke über ihre Schultern und ihren Rücken fiel. »So. Jetzt kann es losgehen, Mathew.«
    Draußen, im Innenhof von Herrard Great Hall, stand der Heuwagen, der mit Efeu und Stechpalmenzweigen geschmückt war. Die roten Beeren der Stechpalme leuchteten wie Rubine aus dem üppigen, dunklen Grün hervor. Eine samtbezogene Bank wartete auf die Braut und den Mann, der sie in Kürze an Stelle ihres toten Vaters zum Altar führen würde. Auf der Bank lag außerdem ein Fell für den Fall, dass es kalt werden sollte. Und vorn, rechts und links neben den Pferden, standen stolz Wat und Ralph in den neuen Farben der Lady Anne: Rot und Tannengrün.
    Die Fahrt ins Dorf verging für Anne wie ein unruhiger Traum, begleitet von fröhlichem Jubel und vom Gebell der Dorfköter, die sie alle begrüßen wollten. Und dort, im Eingang der Kirche, stand der Mann, den sie heiraten wollte. Leif wartete auf sie. Er war genauso nervös und bleich wie sie. Mathew, dem es nicht an Einfühlungsvermögen mangelte, spürte Annes Nervosität, und bevor er sein Mündel, die strahlend schöne Lady Anne de Bohun, vom Heuwagen herunterhob, tätschelte er ihre Hand und flüsterte: »Mut, mein Kind. Nur Mut!« Anne holte tief Luft, und als der große Kaufmann sie durch die Menschenmenge hindurch stolz ihrem Bräutigam zuführte, da lächelte sie sogar. Es war alles richtig. Es war die richtige Ent-

    Und dann legte Mathew Annes Hand in Leifs große Hand, und die Brautleute wandten sich dem Pfarrer zu, der sie zu Eheleuten erklären würde. Und Anne flocht ihre Finger in Leifs Finger und lenkte ihre Gedanken ganz auf ihn. An diesem Tag wollte sie nur das Gesicht ihres Gemahls sehen, das war sie ihm schuldig.
    Später aber, als Anne in der Kirche stand und den Worten des Geistlichen lauschte, sah sie hinab auf ihre roten Schuhe und ihr grünes Kleid. Und einen Augenblick lang leuchtete die Erinnerung auf. Einst, vor langer Zeit und an einem fernen Ort, hatte sie ebenfalls ein grünes Kleid getragen und auch ein Halsband von Smaragden und Perlen. Damals hatte ein anderer Mann sie genauso sehnsüchtig und verliebt angesehen wie jetzt Leif, der neben ihr vor dem Altar stand.
    Sie blickte lächelnd zu dem großen Mann an ihrer Seite auf, ihrem neuen Gemahl. Für ihn hatte sie eigenhändig das Hochzeitskleid genäht, und jeder Stich in dem blattgrünen Samt sollte sie mit ihrer Zukunft verknüpfen und einen Faden zu ihrer Vergangenheit durchtrennen. Sicher, die Farbe war ungewöhnlich, aber sie hatte es so gewollt, denn grün war die Farbe neuer Liebe. Sie lächelte zärtlich und verschränkte wieder ihre Finger mit denen ihres neuen Gemahls und sah in sein stolzes Gesicht. Die Liebe war ein zartes Pflänzchen, das bei ihnen gut gedeihen würde, denn sie wollten es beide mit Sorgfalt hegen und pflegen. Dies hatten sie einander versprochen.
    Das Hochzeitsfest von Anne de Bohun und Leif Molnar dauerte bis spät in die Nacht, schließlich aber kam der Moment, an dem die Braut gebettet werden sollte - diesen Höhepunkt des Abends wollten die Dorfbewohner keinesfalls missen.
    Leif war es vor Aufregung und vom unverdünnten Wein schwindelig. Er wusste, dass er als Bräutigam in seinem vornehmen Hochzeitsstaat eine gute Figur machte. Er trug einen langen, schwarzen Umhang aus bestem englischem Wolltuch mit weit ausgeschnittenen Ärmeln aus einem gemusterten, gold-durchwirkten Damast, einem Hochzeitsgeschenk der Cuttifers. Auf dem Kopf trug er einen wattierten, rotsamtenen Hut von der Größe eines Wagenrads. Aber nun war der Augenblick ge-kommen, wo mehr erwartet wurde, als die Rolle des Ehemanns zu spielen. All seine Zuversicht schwand dahin.
    Mathew lächelte. Ihm war die Aufgabe zugefallen, Braut und Bräutigam durch die komplizierte und quälende Prozedur zu begleiten. Er saß zu Leifs Rechten an der
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