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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens
Autoren: Lena Klassen
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angesteuert. Es kam ihr fast vor, als hätte er die Pferde gewittert. Aber er war nie allein hergekommen, ohne sie– oder etwa doch?
    Das hätte sie nie im Leben zugelassen!
    Mattim ließ die Schimmel Schritt gehen. Erst eine Runde über die Koppel, dann eine zweite.
    » Er hat einfach ein Händchen für Pferde«, meinte Dávid. » Ich hab schon mit dem Boss gesprochen, möglicherweise bekommt er die offene Stelle, wenn Laszlo im Herbst studieren geht.«
    Hanna konnte nicht zuhören, so sehr war sie damit beschäftigt, Mattim nicht aus den Augen zu lassen. Es sah so unverschämt leicht aus, wie er da auf den Pferden stand, sich mit ihnen bewegte. Die Tracht der Csikós würde ihm vermutlich gut stehen. Nein! Nein, es war unmöglich, dass sie das eben gedacht hatte. Sie wollte ihm zuschreien, dass er sofort aufhören sollte, aber sie wagte es nicht, denn womöglich würde sie die Pferde erschrecken und ihn erst recht in Gefahr bringen.
    » Wie lange wird er jetzt mit ihnen üben?«, fragte sie resigniert.
    » Oh, das kann dauern. Es geht ja nicht nur ums Training. Er striegelt sie, füttert sie, spricht mit ihnen, damit sie ihn kennenlernen. Man muss meine Lipizzaner davon überzeugen, dass man vertrauenswürdig ist.« Dávid räusperte sich und senkte die Stimme. » Ich will echt nichts gegen deinen Freund sagen, von Pferden versteht er ja was… Aber von ganz normalen Dingen hat er offenbar nicht die geringste Ahnung. Hat er die letzten zehn Jahre im Gefängnis gesessen? Auf einer einsamen Insel? Manchmal habe ich den Eindruck, er kommt aus einer anderen Welt. Ein Zeitreisender oder so.«
    Weil sie sich hier vor ihren Feinden versteckten, hatte Hanna gedacht, es sei nicht nötig, Mattim davor zu warnen, sich mit einem normalen Menschen anzufreunden. Aber er hätte sowieso nicht auf sie gehört.
    » Er stammt aus Magyria«, sagte sie. » Das ist eine Welt jenseits unserer Wirklichkeit, auch wenn sie gewisse Ähnlichkeiten damit hat. Allerdings gibt es dort Vampire, die man Schatten nennt, Wölfe, die früher Menschen waren, und eine Stadt, in der es stockfinster ist.«
    » Aha«, sagte Dávid.
    Sie wusste natürlich, dass er ihr nicht glaubte, trotzdem tat es gut, die Wahrheit einmal auszusprechen. » Mattim ist der letzte Prinz des Lichts. Sein Bruder hat die Macht übernommen, er ist der Anführer der Schatten und hat dafür gesorgt, dass sämtliche Einwohner der Stadt Akink entweder in Schatten oder in Wölfe verwandelt worden sind. Wir verstecken uns hier vor ihm.«
    Dávid zuckte mit den Achseln. » Ach, egal. Du musst mir nicht sagen, was mit ihm los ist. Aber meine Theorie mit der Zeitreise war auch nicht schlecht.«
    Sie wandte sich zum Gehen.
    » War es ein Internat?«, rief er ihr noch nach. » Für reiche Söhne? Oder ein Heim für schwer erziehbare Jungs?«
    Sie drehte sich noch einmal um und winkte ihm. » Ein Prinz aus Magyria«, sagte sie so leise, dass er es nicht hören konnte. » Im Ernst.«
    Er war ihr Prinz, und genau deshalb ergriff sie jetzt die Flucht. Wenn jemand anders auf diesen Pferden stand, war es ein wundervoller Anblick. Aber Mattim? Nein, das konnte sie nicht mit ansehen. Wütend stapfte sie den sandigen Weg entlang, der zwischen Büschen und kleineren Bäumen hindurch zu Adrienn Bartóks Haus führte.
    » Hey! Hanna, warte!«
    Er kam ihr nach. Zu Pferd, und natürlich war das Tier nicht mal gesattelt. Wenigstens saß er darauf, statt zu stehen.
    » Warum bist du sauer?«
    » Warum?«, fuhr sie ihn an. » Dávid hat mir gerade gesagt, dass du regelmäßig herkommst. Wieso weiß ich nichts davon?«
    » Du spielst stundenlang Schach mit Adrienn«, sagte er. » Mir war langweilig.«
    » Ich dachte, du übst Fahrradfahren!«
    » Hab ich ja«, verteidigte er sich. » Mit dem Rad ist man ziemlich schnell hier.«
    Sie seufzte. » Mattim, du… du bist ein Mensch!«
    » Ich weiß.« Ein bitterer Zug wischte das Lächeln von seinen Lippen. » Wäre es dir lieber, wenn ich noch immer ein Schatten wäre?«
    » Du kannst dich verletzen!«
    » Ja, natürlich«, meinte er leichthin. » Sicher. So wie du auch, so wie jeder Mensch. Ich bin den größten Teil meines Lebens ein Mensch gewesen, ich weiß durchaus, wovon du sprichst.«
    » Aber dann verstehe ich nicht…«
    » Was? Dass ich nicht im Garten herumliege und mich sonne? Und mich dabei freue, dass ich noch lebe und meinen Feinden entronnen bin?«
    Sie musste zu ihm aufsehen. Mattim machte eine gute Figur auf dem Pferd. Folgsam trottete es den
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