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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens
Autoren: Lena Klassen
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sagen.«
    » Bist du wieder ganz in Ordnung?«, fragte er vorsichtig. Es tat so gut, sie zu sehen, aber auf einmal hatte er Angst vor dem, was sie ihm mitteilen wollte. Sie wirkte irgendwie anders als früher, älter. » Du träumst nicht mehr?«
    » Nein«, sagte sie. » Nein, wir sind alle so heil, wie wir es noch nie waren. Wunderst du dich über meine Falten? Wir werden jetzt ganz normal alt, mein Junge.« Sie strich ihm über das Kinn, über die Bartstoppeln. » Unsere Familie ist nicht mehr, wie sie einmal war. Unsere Lebenszeit läuft ab, die deines Vaters genauso wie meine. Wir haben ein viel längeres Leben gehabt, als uns zustünde. Aber es war… ein halbes Leben, ohne unsere Schattenseite. Ich freu mich dafür an dem, was ihr jetzt habt, ihr jungen Leute. Der Wolf wohnt in deinen Augen, das hat er schon immer getan. Du hast von jeher ihren Ruf gehört und dich nach der anderen Seite des Flusses gesehnt.«
    » Ja«, sagte er.
    » Trotzdem muss ich dir noch etwas sagen, Mattim. Ich war es, die Kunun mitgeteilt hat, wo du zu finden warst. Ich habe euer Versteck verraten.«
    » Was?« Er starrte sie an.
    » Es musste sein«, sagte sie leise. » Du musstest wieder ins Spiel, es war an der Zeit. Wilder ist nicht der einzige Spieler in unserer Familie. Nur wenn man alles riskiert, kann man alles gewinnen. Deshalb habe ich alles auf eine Karte gesetzt: auf dich.«
    » Du hast mich verraten?«, wiederholte er ungläubig.
    » Ja«, sagte sie, » denn Kunun musste glauben, dass er stark ist, dass alle ihm gehören. Dass alle Herzen sich vor ihm beugen. Nur so würde er unvorsichtig sein.«
    » Das war aber ganz schön knapp!«
    » Nun ja.« Elira lächelte ohne Reue. » Das Schicksal musste diesen Weg nehmen, es hatte keine Wahl. Es ist, als würde es wie Wasser im Flussbett in die richtige Bahn gelenkt; es kann nicht anders, als dort zu fließen, wo es fließen muss.«
    » Du hast sehr viel Vertrauen«, sagte er und konnte nicht verhindern, dass es vorwurfsvoll klang.
    » Das Licht musste siegen«, sagte Elira. » Hanna würde dich immer lieben, das wusste ich, ohne Zweifel. Denn du bist, wer du bist, mein Sohn. Die Geschichte ist uralt, die Geschichte vom Wolf und seinem Mädchen, sie ist alt und verknöchert wie ein tief in die Erde gegrabenes Flussbett, wie der Donua selbst. Das Wasser fließt, wo es fließen muss.«
    » Du bist ja verrückt«, murmelte er zärtlich.
    » Und jetzt hol Hanna«, sagte sie. » Was wäre ein Fest ohne sie? Wir wollen unseren König feiern.«
    Mattim schritt durch die Dunkelheit, durch den Traum. Es war so leicht wie atmen. Er trat in ihren Traum, wie die Schatten zu den Menschen kommen, leise und vertraut.
    » Hanna«, sagte er.
    Sie schlief unruhig. Das kleine Studentenzimmer war eng, er hatte kaum Platz genug, um neben ihrem Bett zu stehen.
    » Mmmh?«
    » Hanna.« Er setzte sich auf die Bettkante und küsste sie auf die Wange. » Träum ruhig weiter, ich muss dir etwas erzählen.«
    Hinter den geschlossenen Lidern bewegten sich ihre Augen. » Mattim? Wie um alles in der Welt kommst du hier rein? Die Tür ist abgeschlossen.«
    » Ich bin kein normaler Mensch. Ich bin ein Prinz aus Magyria. Wie könnten Wände mich aufhalten?«
    Sie setzte sich auf, immer noch im Halbschlaf. » Mattim? Träume ich? Wovon redest du da?«
    » Davon, dass ich endlich mein Erbe angetreten habe, mein magyrianisches Erbe. Zieh dir etwas Hübsches an, wir werden auf einer königlichen Feier erwartet.«
    Im Traum ging sie über eine blühende Wiese, barfuß, mit nichts als einem Nachthemd am Leib. » Muss das sein?« Sie betrachtete ihn genauer, und als sie seine Aufmachung bemerkte, weiteten sich ihre Augen. » Du… Was hast du da an? Was ist das für ein Gewand, das aussieht wie aus einem Kostümverleih?«
    » Ich sage dir doch, es gibt eine Feier in der Burg von Akink. Meine Familie wartet nur noch auf dich.«
    » Oh Gott«, sagte sie. » Sag nicht, dass du König wirst.«
    Er musterte sie ernst. » Bist du etwa nicht bereit dafür? Ich dachte, du würdest für mich sterben?«
    Hanna schluckte. » Das glaube ich jetzt nicht«, sagte sie mit schwacher Stimme. » Ich bekomme einen Schreikrampf, ich warne dich. Ich will nicht Königin sein! Ich will ein ganz normales Leben. Aah!«
    » Brüll hier nicht so rum, sonst hämmern deine Mitbewohner gleich gegen die Wand. Sei brav und füge dich in dein Schicksal.«
    » Dafür bringe ich dich um, Mattim. Du elender Prinz! Das ist ein blöder Scherz, oder?«
    »
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