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Der Traum des Satyrs

Der Traum des Satyrs

Titel: Der Traum des Satyrs
Autoren: Elizabeth Amber
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gewusst, dass Dominic ein Wesen aus der Anderwelt war, doch dort lebten viele unterschiedliche Völker. Seine Sippe konnte von irgendeinem dieser Völker in jener anderen Welt stammen.
    »Ich bin ein reinblütiger Satyr«, erläuterte Dominic in diesem formellen Tonfall, der ihm eigen war.
    Reinblütig. Kein Halbblut wie ihr Schwager. Kein Viertelblut oder weniger, so wie Carlo. Überhaupt war er das erste reinblütige Anderweltwesen, das sie je getroffen hatte. Doch wie auch die anderen Herren von Satyr konnte er leicht als Mensch durchgehen. Nun ja, als ein außergewöhnlich großer, unwiderstehlich männlicher Mensch mit breiten Schultern und einem mächtigen Brustkorb. Aber dennoch als Mensch.
    »Aber Euer Name – Janus«, stammelte sie töricht. »Der Gott mit den zwei Gesichtern. Der Beschützer in Zeiten des Krieges. Ich nahm an, Ihr wärt ein Abkömmling seiner Linie.«
    »Meine Frau ist ein Bücherwurm, sie läuft förmlich mit solchen Informationen über«, unterbrach Carlo sie spottend. Er hob ihren Gedichtband vom Tisch auf, blätterte durch die Seiten und schloss ihn mit einem verächtlichen Knall wieder. Seine Gesten waren übertrieben, bemerkte Emma besorgt – eine Folge des übermäßigen Weingenusses.
    Dominic ignorierte ihn und antwortete ihr stattdessen. »Janus ist der Nachname eines meiner Ahnen und einer von dem halben Dutzend Nachnamen, die ich selbst trage.«
    Das erklärte allerdings noch immer nicht, was er hier in Carlos Zimmer zu suchen hatte, heute in der Nacht der Nächte. Warum war er nicht in seinem eigenen Quartier und holte sich Nebelnymphen ins Bett? Diese empfindungslosen weiblichen Wesen konnte jeder Satyr nach Lust und Laune aus dem Äther heraufbeschwören, damit sie ihm jedes seiner fleischlichen Bedürfnisse erfüllten.
    »Ich bin nicht angemessen für Gesellschaft jeglicher Art gekleidet«, beharrte sie, an ihren Mann gerichtet.
    Dominic wandte sich mit gerunzelter Stirn an Carlo. »In einem ganzen Jahr Ehe hat sie sich immer noch nicht an unsere Sitten gewöhnt?«
    Carlo zuckte mit den Schultern.
    Emma sah misstrauisch zwischen den beiden riesigen Männern hin und her, die zu beiden Seiten des Raumes standen. »Welche Sitten?«
    »In Gegenwart ihres Mannes ist es für eine Gemahlin in der Anderwelt üblich, ihren Körper un…« Dominic suchte nach dem richtigen Wort und machte für einen Augenblick ein frustriertes Gesicht, als es ihm nicht sofort einfiel. »Ah«, fuhr er schließlich fort, »sich weit mehr un
verhangen
zu zeigen als Ihr, ungeachtet dessen, wer sonst noch anwesend ist.«
    »Nun, dies hier ist nicht die Anderwelt, nicht wahr?«, protestierte Emma. »Und hier in der Erdenwelt tragen wir
Gemahlinnen
Kleidung und keine Vorhänge. Und wir tragen sie, ganz gleich, in welcher Gesellschaft wir uns befinden.«
    »Emma!«, schalt Carlo. »Zeige etwas Respekt! Dominic ist von königlichem Blut, und er hat mein Leben in der Schlacht mehr als ein Mal gerettet.«
    »Es tut mir leid, wenn ich unhöflich war«, lenkte sie ein. »Es ist nur so, dass der Mond bald aufgehen wird.« Sie hielt inne und sah zum Fenster.
    Dominics wissender Blick forderte sie auf, weiterzusprechen.
    War es denn die Möglichkeit, dass dieser Mann einen so deutlichen Hinweis nicht verstand? Er hatte lediglich die Arme vor seinem mächtigen Brustkorb verschränkt, sich sonst aber keinen Schritt von der Tür wegbewegt. Beinahe so, als würde er absichtlich den Ausgang blockieren. Bei dieser Erkenntnis begann es, in ihrem Nacken unangenehm zu prickeln.
    Ihr Mann warf ihr einen undeutbaren Blick zu, ging dann zum Fenster und zog den Vorhang mit einer Hand weit auf. Vom Tageslicht draußen war nur noch ein schmaler Streifen aus funkelndem Orange über der fernen Silhouette der blau schimmernden Hügel übrig.
    Während die beiden Männer die einsetzende Dämmerung betrachteten, nutzte Emma die Tatsache, dass sie abgelenkt waren, um verstohlen ihren Morgenrock überzuziehen.
    »Da ist etwas, das ich der Familie nicht erzählt habe«, setzte Carlo mit dumpfer Stimme an, während sie noch versuchte, das Band des Morgenrocks über ihrer Brust zusammenzubinden. »Etwas, das sie nicht erfahren soll.«
    Sein Gesicht, das sich in der Fensterscheibe spiegelte, war ungewöhnlich ernst. Ein angstvolles Beben erfasste sie. »Was ist es?«
    Er sah sie über die Schulter gewandt an. »Erst musst du mir versprechen, dass du mein Geheimnis wahren wirst.«
    »Natürlich«, stimmte sie sofort mit wachsender Neugier
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