Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Trakt

Der Trakt

Titel: Der Trakt
Autoren: Arno Strobel
Vom Netzwerk:
damit wir schnell wieder hier rauskommen.«
    Die Küche, sofern man das so bezeichnen konnte, war dem Wohnzimmer in jeder Beziehung ebenbürtig und wurde nur noch durch das winzige Bad übertroffen. Umso überraschter waren wir, als wir die Tür zum letzten Zimmer öffneten. Der ebenfalls kleine Raum war leer und sauber, die pastellgelben Wände offenbar frisch gestrichen.
    Menkhoff drehte sich zu Lichner um. »Was ist das für ein Zimmer?«
    »Ein neu gestrichenes, Herr Kriminalhauptkommissar.«
    »Haben Sie es gestrichen?«
    »Würden Sie mich verhaften, wenn es so wäre?«
    Wieder starrten Sie sich an, und der Hass schien eine Brücke zwischen ihren Augen zu schlagen, über die sie schwerbewaffnete Gedanken in den Kopf des anderen einmarschieren ließen.
    »Gehen wir.« Menkhoff riss sich von Lichners Augen los. Als wir schon im Treppenhaus standen, drehte er sich noch einmal um. »Halten Sie sich zu unserer Verfügung, Herr Lichner, falls wir noch Fragen haben.«
    »Sie verbringen zu viel Zeit vor dem Fernseher mit schlechten Krimis, Herr Hauptkommissar«, erwiderte Lichner und ließ uns in dem heruntergekommenen Treppenhaus stehen.
    Menkhoff stieß den Atem geräuschvoll aus und warf mir einen Blick zu, der mir deutlich sagte, dass es besser war, den Mund zu halten. Als wir aus dem Gebäude traten, blieb er plötzlich stehen und zog sein Handy hervor. »Warte mal kurz.«

4
    12. Februar 1994
    »Seifert!«
    Ich stand am Kopierer, als Kommissar Menkhoff quer durch das große Büro nach mir rief.
    »Hier!«, antwortete ich und setzte mich sofort in Bewegung. Menkhoff stand schon neben seinem Schreibtisch und steckte einen Zettel in die Hosentasche. »Kommen Sie, wir müssen los. Wir haben einen Hinweis aus der Nachbarschaft erhalten, der uns vielleicht endlich weiterbringt. Ein Kerl hat der Kleinen angeblich öfter Süßigkeiten gegeben.«
    Ich schnappte mir im Vorbeigehen meine dicke Jacke von der Garderobe und eilte Menkhoff aufgeregt nach.
    Die Kleine,
das war Juliane Körprich. Zwei Wochen war es schon her, seit wir ihren kleinen Körper gefunden hatten, doch bisher hatten unsere Ermittlungen noch nicht viel ergeben. Genau genommen tappten wir noch absolut im Dunkeln.
    Während ich mit Menkhoff quer über den Parkplatz ging und auf unseren Dienstwagen zusteuerte, spürte ich erwartungsvolle Erregung in mir aufsteigen und gleichzeitig die Angst davor, wieder nur dem Hirngespinst eines Wichtigtuers nachzurennen. Ein neuer Hinweis. »Was hat der Anrufer denn genau gesagt, Herr Menkhoff?«, fragte ich vorsichtig.
    »Es war eine Anruferin, Marlies Soundso. Sie wohnt in der Nachbarschaft der Familie Körprich, auf der anderen Seite des Spielplatzes.«
    Wir hatten den Wagen erreicht, und ich setzte mich hinter das Steuer. Als der Jüngere war ich automatisch der Fahrer. Menkhoff schnallte sich an. »Sie sagt, sie hat ein paarmal beobachtet, wie ein Mann auf dem Spielplatz dem Mädchen Schokolade oder so was gegeben hat.«
    »Und kennt sie den Mann?«, fragte ich, obwohl ich mir über die Antwort keine Illusionen machte. Umso überraschter war ich, als Menkhoff sagte: »Ja, und er wohnt sogar ganz in der Nähe.« Obwohl ich nach vorn schaute, bemerkte ich aus den Augenwinkeln, dass er mich ansah. »Na, was fällt Ihnen dazu ein, Herr Seifert?«
    Ich wusste, was er meinte. »Bei Tötungsdelikten an Kindern kommt der Täter in fast der Hälfte der Fälle aus der Familie, bei weiteren 35 Prozent aus dem näheren Umfeld.« Er nickte, offenbar zufrieden.
    Als ich kurze Zeit später vor dem Haus anhielt, war ich so aufgeregt, dass meine Hände zitterten.
    Menkhoff blieb neben dem Wagen stehen und zog den Zettel aus der Tasche, den er im Büro eingesteckt hatte. »Bertels«, las er ab. »Sie heißt Marlies Bertels.«
    Die alte Frau öffnete die Tür, als Menkhoff gerade den Fuß auf die unterste der fünf Treppenstufen setzte. Sie war klein und sehr schmal, die kurzen, sorgsam gelegten Haare hatten einen Farbton irgendwo zwischen Lila und Blau.
    »Sie müssen die Herren von der Polizei sein«, sagte sie mit dünner Stimme. »Bitte, kommen Sie doch herein.«
    Im schmalen Flur roch es muffig, was ich dem alten Teppichboden zuschrieb. Zu beiden Seiten gingen Türen ab, Marlies Bertels dirigierte uns in das zweite Zimmer auf der rechten Seite. Meine Großeltern hatten in ihrem Häuschen in Richterich auch so einen Raum gehabt, der nur betreten werden durfte, wenn Besuch im Haus war. Die gute Stube. Sie war peinlichst aufgeräumt,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher