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Der Träumer

Der Träumer

Titel: Der Träumer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weiß, ich stehe dir im Weg … ich gehe, Paulchen. Ein Mann ist schrecklich ungeschickt, wenn er bei Frauenarbeit helfen möchte. Besser, ich verderbe nichts, sehe nur still dir zu. Ganz im Innern weiß ich, daß jede Schüssel, jeder Teller, den du unter meinen Blicken auf die Decke stellst, dich freut. Ein heimliches Liebkosen deiner Hände ist die Arbeit, ein mühsam unterdrücktes Jauchzen jeder Schritt. Verzeih mir, wenn beschämt ich aus der Stube trete – ich kann dir nichts entgegensetzen als mein volles, übervolles Herz.
    Und selbst dies Kärgliche mußt erst du aus der Schale brechen …
    So bleibe ich doch im Zimmer, trete ans Fenster, starre durch die Scheiben auf das Trümmerbild der geborstenen Häuser zu beiden Seiten der Straße und fühle deinen Blick in meinem Nacken brennen. Paulchen, ich schäme mich, oh, schrecklich schäm' ich mich – was aber kann ich anderes tun, als stilvoll schweigen? Soll ich jetzt von den Herzen sprechen, während du die Teller rückst, soll ich gestehen meiner Seele Höhenflug beim Tragen einer Suppenschüssel? Wär' ich kein Schriftsteller, der die Stimmung dieses Lebens wie den Nektar trinkt, würde ich es mir nicht so schwer machen, den rechten Platz fürs rechte Wort zu finden. In meinen Büchern und Theaterstücken steht dies alles so verständlich – man stellt den Teller hin, holt Atem, und die Worte quellen aus der Tiefe. Das ist die Theorie. Hier aber, in der Praxis, die mich fordert, versage ich, indem ich schweige.
    Ach, die Romane! Heute sehe ich, wie leblos dieses Leben auf Papier ist, wie oft die Theorie sich blühende Gärten schafft, die im Frost der Praxis keine Geburt erfahren. Der Sonnenglanz bleibt hinter Wolken versteckt, das laute Wort wird zum heimlichen Gedanken, und von der Faszination eines geistsprühenden Adonis bleibt nichts als das Schweigen, das allein gefüllt wird vom Glanz der Augen.
    Unten auf der Straße streiten sich zwei Männer. Ich höre nur den Bruchteil ihrer Worte durch die Scheiben und weiß dennoch, daß es um die Politik der Straße geht. Zwei verhinderte Weltverbesserer, zwei kleine Strategen der Staatskunst lassen ihre Meinungen aufeinanderprallen. Sie erhitzen sich, ich sehe, sie fuchteln mit den Armen, ja, jetzt schreien sie, und einige andere kommen noch hinzu und beteiligen sich an der heißen Fehde, der nur noch das Fäusteschwingen fehlt. Sie wissen nicht, warum, jedoch sie müssen schreien, denn schrecklich wäre es, schweigend einmal Demokrat zu sein.
    Wirklich, jetzt muß ich lächeln – seht ihr, ich schäme mich nicht mehr, denn unnütz, unangebracht sind oft Worte, wenn es genügt zu fühlen, und gar verderblich ist der laute Ton, wenn überlegend mir die Handlung einen Nutzen öffnet. Ist diese schlichte Weisheit nicht auch für die Liebe gültig? Glaub mir, Ersehnte, daß mein Schweigen mehr gesteht, als wenn mit wohlgesetzten Worten ich der Liebe Sinn und Zweck erkläre. Es kommt darauf an, wozu geschwiegen wird. Das Schweigen des Pontius Pilatus brachte Christus ans Kreuz, ich aber, Paulchen, will schweigend alle Tore öffnen, die zwischen dir und meinem Herzen liegen.
    Nun ist es still geworden auf der Straße. Die Schreier sind fort, sie haben sich verlaufen. Nur noch ein Zeitungsblatt liegt im Staub der Straße, flattert jetzt hinein in den gähnenden Krater einer Bombe, die ihr Ziel zwischen zwei Häusern gefunden und dadurch beide so ziemlich hinweggeblasen hatte. Was mag wohl auf dem Blatte stehen? Freiheit des Individuums? Selbstbestimmung? Recht auf Menschlichkeit?
    Wie klein ist heute diese Welt, kann ich am Throne Gottes knien und von dem Tische seiner Gnade einen Brösel seiner Liebe meinem Paulchen geben.
    Ich dreh' mich um – allein bin ich im Zimmer, doch aus der Küche nebenan klingt schwach das Klirren von Geschirr. Da hab' ich plötzlich einen praktischen Gedanken und trete mutig in das Reich der Hausfrau. Erstaunt blickt Paulchen mir entgegen, rührt in einem Topf – und lächelt.
    »Kann ich ein wenig helfen?« lautet meine schlichte Frage, zu der nicht viel geistiger Aufwand gehört.
    »Nein, nein, ich bitte Sie, das ist nicht nötig.«
    »Doch, doch, mein Besuch zwingt Ihnen dies alles auf.«
    »Wer sagt Ihnen das? Ich müßte auch für mich allein kochen.«
    »Für zwei macht's doppelte Mühe. Und erst die Gedecke, die Sie aufgetragen haben …«
    »So wie heute«, unterbricht sie mich lachend, »wird jeden Tag bei mir gedeckt, bilden Sie sich nur nichts ein!«
    Ich will es
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