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Der Träumer

Der Träumer

Titel: Der Träumer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihr Koffer, was ist mit dem? Ließ sie ihn in der Gepäckaufbewahrung zurück? Oder schleppt sie sich selbst ab damit? Mein Gott!
    »Narr!« schreie ich. »Ich Narr! Ich Irrer! Ich Feigling, Scharlatan, Phantast, Träumer!«
    Und ich reiße wild die Tür auf, stürme den Berg hinunter, springe über Steine, stolpere, stürze – ach, was tut's! –, hetze weiter, meine Haare wehen, mein Atem pfeift … blinkt nicht ein helles Kleid dort durch den Tann, täusche ich mich? Nein, sie ist's … Paulchen, Paulchen … wen sehe ich an ihrer Seite? Keinen anderen als meinen Freund, er schleppt ihren Koffer … ich verzeihe ihm alles … ich fliege … nein, ich stürze, will stürzen, doch zwei Arme fangen mich auf, schmiegen weich sich um meinen Hals, und dunkel ist's um mich, als ich den ersten Kuß der roten Lippen trinke.
    Nun ist es Abend, um die Berge braust der Föhn, der Geist der Wälder bläst im Tann die Flöte aus dem weißen Birkenholz. Ich liege auf der Couch, den Kopf in Paulchens Schoß gebettet, und küsse jeden ihrer zarten Finger, die so liebevoll mich streicheln. Nur eine kleine Lampe brennt im Winkel dieses Raumes … und leicht gleiten die Herzen im Boot des Glücks durchs Silberwasser unseres Sees der Sehnsucht.
    Wir sprechen nicht, denn jeder Ton entheiligt diese Stille. Wir schließen die Augen, selig in der Wärme unserer Körper … wir fließen ineinander wie das Traumbild unserer Seelen … allein nur Gott spricht zu uns mit den Stimmen der Natur.
    »Ich glaube an das Leben«, flüstert Paulchen, »ich glaube an die Schönheit im Menschen …«
    »… und an den Gott, der uns die Menschlichkeit als heiligstes Geschenk verwahrte«, ergänze ich.
    Und laß uns wieder schweigen. Diese Stille ist so satt von Glück, so prall von Wonne … Hörst du die silberne Melodie, die aus den Wäldern kommt? Die Tannen spielen sie am Harfengitter ihres Mondes. Hör nur, die Elfen kränzen unser Haus, und Pan bläst auf der Flöte seine Liebeslieder. Die Bäche spielen klingend mit den Steinen, und Oberon, der Elfenkönig, küßt Titania, die spröde.
    O Ersehnte, lege deine Hände auf mein Herz, sie sind der Kelch, in dem die Tränen reinen Glücks sich sammeln …
    Dieses Lebens Becherfülle
trinke ich mit einem Zug,
und im Taumel stürzend hülle
ich das Herz ins Weltenbuch.
    Mögen dann die Götter fluchen
des gestürzten Ikarus –
ewig wird der Mensch sich suchen,
weil den Mensch er lieben muß!
    Wie fern die Sterne glitzern – singen sie nicht auch? Oh, schließe beide Augen, gleite ins Vergessen … ich führe dich hinein ins Land des Traumes …
    Komm, fürchte nichts, ich kenne jeden Steg … hoch über eine Sonnenbrücke führt die Straße …
    Ist es nicht Gottes Gnadenblick, daß ich ein Träumer bin?
    Oh, küsse mich, Ersehnte …
    Ich habe Paulchen ganz allein für mich …
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