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Der Träumer

Der Träumer

Titel: Der Träumer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Freie in den Sitten sein. Ich will mich wandeln, äußeren und inneren Hausputz halten, alle Schlacken von mir kehren – ich will ein Ideal sein!«
    Oh, jetzt lacht der Freund! Ich sehe rot. Wie gut kann ich den Tatbestand des Totschlags im Affekt verstehen! Ich könnte diesen Satan mit meinen bloßen Händen hier erdrosseln. »Ein Ideal!« Der Freund drischt sich auf die Schenkel, wiehert vor Vergnügen. »Du bist verliebt, so wahnsinnig verliebt, daß du verblödest. Schau doch in deinen Spiegel, sieh genau dich an: die wirren Haare, dieses Jungenlächeln, dieser Schelmentanz der Augen – das bist du! Willst du die Träumerei der Liebesblindheit in dein Leben setzen? Willst du, wie in diesen sieben Tagen, nur in Sterne blicken und mit dem Nebel tiefempfundene Gespräche führen? Oh, du verkappter Scharlatan, du Fant, du ewig großer Junge – wer in der Liebe anders wird, als er im Wesen ist, der braucht die Liebe nur als Tarnkappe seiner Unzulänglichkeit.«
    Es tut mir leid, ich habe diesen Freund doch nicht erwürgt.
    Ich habe mit ihm eine große Flasche Schnaps getrunken und geschworen, so zu bleiben, wie ich bin. Mein Häuschen glänzt vor Sauberkeit und Frische, wie Puppenstuben sehen meine Zimmer aus – nur, ich habe mir die Haare nicht schneiden lassen, habe mir keine Hose aufgebügelt. Was ich habe, ist – ein süßer Schwips.
    Ob Paulchen mit mir restlos einverstanden ist? Ob mancher Fehler doch nicht ihre Augen reizt?
    Wirklich, ich habe Angst vor morgen, schrecklich große Angst.
    Ich werde diese letzte Nacht bestimmt nicht schlafen.
    Nie hab' ich geglaubt, daß Liebe ängstlich machen könnte.
    Sprecht mich nicht an – ich bin für niemanden zu sprechen! Ich irre durch das Haus, ich ordne nun zum zehnten Mal die Blumen, die Messingklinken meiner Türen senden Sonnenblitze aus, der Teppich wird umschritten, denn jeder Gehfleck stört, die Lederbände mit dem Golddruck meiner Lexika sind nochmals blankgeputzt, und meine Schuhe habe ich eine Stunde lang gewienert. Der Satyrfreund hockt auf der Holzbank der Veranda und flötet Schuberts Ständchen aggressiv und laut. Ich möchte ihn erschlagen, ihn erdolchen – er macht mich zum Amokläufer, denn er pfeift die berühmte Liebesmelodie auch noch provozierend falsch.
    Ich suche meine Hände und finde sie nicht. Sie flattern über die Gardinen, ordnen Falten, zupfen Decken gerade, sie rücken Vasen, schieben Sessel, wischen nochmal Staub, wo längst keiner mehr ist.
    In einer Stunde kommt doch Paulchen, kommt zu mir in dieses Haus … auch zum Satan, wenn der Freund noch länger bleibt. Hört er nicht gleich auf zu pfeifen, kann sie mich im Irrenhaus besuchen.
    Ein Einheimischer, ein junger Bursche, kommt aus dem Tal heraufgekeucht. Er hat's eilig. In seinem Korb trägt er eine Fülle herbstlich bunter Blüten mit keinen – oder fast keinen – Stengeln mehr. Ich trete aus dem Haus, blicke ihm entgegen, wundere mich. Ich habe diesen Jungen nicht bestellt, kenne ihn noch nicht mal. Ob schon das ganze Städtchen weiß, daß heute sich mein schönster Tag vollendet?
    Der Junge steht in einem Alter, das schwanken läßt, wie man ihn anzureden hat.
    »Du … Sie … wollen zu mir?« frage ich ihn.
    »Nein, zu dem Herrn da«, sagt er und zielt mit dem Zeigefinger auf meinen Freund. »Er hat für heute Blumen auf den Berg bestellt. Ich bin von der Gärtnerei Kellermann.«
    Der Freund gibt eine Antwort in dem Dialekt dieser Gegend, nimmt den bestellten Blumenkorb entgegen und drückt dem Jungen etwas in die Hand. Das Trinkgeld muß ziemlich groß sein, denn im Gesicht des Jungen leuchtet es auf, er reißt die Mütze vom Kopf und stammelt Dankesworte. Dann eilt er beschwingten Schrittes den Hang hinab. Der Freund aber beginnt die Treppe meines Hauses mit den Blüten zu bestreuen.
    Ich stehe sprachlos – was fällt diesem Burschen ein? Es ist ja fast, als ob man zum Begräbnis streue (und andererseits den Rosenteppich einer Hochzeit legt). Was soll denn Paulchen denken, wenn sie diese Blumen sieht? Ob sie nicht Angst hat, dieses Häuschen zu betreten? Denn auch innen wogt ein Blumenmeer, und allzu deutlich ist der Schmuck in seiner stummen Sprache.
    Vielleicht ist's nur ein kleiner Herbstbesuch von ihr, der seine Unverbindlichkeit in amouröse Worte kleidet, vielleicht will Paulchen nur aus Mitleid mich beglücken, um meine Einsamkeit für Stunden zu erhellen.
    Mich packt der Zweifel wieder mit Allgewalt, und schmerzend ist der Schlag des Herzens, das nicht
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