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Der Träumer

Der Träumer

Titel: Der Träumer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wirst du in mir das Leben wecken. Ist es nicht köstlich, unter deinem Kusse zu erwachen?
    Denn sieh: Es bauen Götter selbst das Tor des Lebens, wo die Liebe ist …
    Mein kleines Landhaus stelle ich heute auf den Kopf, jawohl, ich drehe alle Möbel um, ich klopfe meine Teppiche, ich wische Staub, ich schrubbe, und ich habe endlich auch die Dielen neu gestrichen. Die Fenster habe ich geputzt, die Möbel bis zum Spiegelglanz poliert und in die Lampe über der Haustür eine längst fällige neue Birne eingeschraubt. Den Garten habe ich geplündert und die Zimmer in kleine Gewächshäuser verwandelt, denn Paulchen liebt ja Blumen außerordentlich. Da stehen Astern in den Vasen, protzen Dahlien, und in den Schüsseln aus Kristall schwimmen breit die Treibhausblüten einer tropischen Orchidee.
    Bei all dem Wirbel lasse ich mir von niemandem helfen. Ich stehe in zerrissenen Hosen an der Teppichstange, schrubbe auf den Knien liegend meine Dielen, während im Radio beschwingte Tanzmusik erklingt … ha, diese Kraft hab' ich seit langem schon gesucht, und fern schon ist der gestrige Tag, an dem ich noch ein Träumer war! Was nützt es, Idealen nachzujagen, wenn nur die Hand genügt, um irdisch hohes Glück zu fassen? Was nützt das Stammeln lyrischer Gedichte, das Seufzen sehnsuchtsschwerer Zungen, wo schon das helle Leuchten zweier Augen halb den Sieg erringt?
    Hui, wie der Lappen fliegt – was brauche ich die Freunde, die mir helfen wollen? Ich will doch morgen stolz vor meines Hauses Schwelle stehen und sagen: »Paulchen, dieser Glanz um dich ist ganz allein das Werk der Hände, die jetzt die schönste Blume in die Sonne tragen …«
    Und dann soll Paulchen in das Häuschen schweben, von meinen Armen in das Glück gehoben …
    Hei, wie der Staub sich vor den Schlägen flüchtet, die meinen Teppich an der Stange treffen.
    Doch eigentlich ist dieser Hausputz äußerst schnell getan, und manches glänzt von außen, was doch innen weiter fault. So viele Lappen reinigen des Spiegels Fläche, doch wird durch sie das Antlitz niemals schöner, das sie wiedergibt. O Paulchen, keine Furcht – auch wo ihn keiner sieht, will ich den Hausputz halten, und selten rein soll diese Stunde sein, in der du lächelnd in mein Leben trittst. Ich rufe meinen Freund, weißt du, den Karl, von dem ich dir erzählte, er ist ein weiser Bruder im Garten dieser Welt, und oft bläst er die zweite Stimme zur Schalmei des Satyr.
    Wahrhaftig, selbst die Sofakissen will ich neu beziehen, und mein zerkratztes Radio hab' ich mit Schuhcreme neu poliert, das Grammophon glänzt durch weißes Bohnerwachs, und in den Eingeweiden meiner Couch hab' eine lockere Feder ich mit Kordeln festgebunden. Es soll in meinem Leben nichts Lockeres mehr geben, auf festen Fundamenten soll dein Einzug ruhen – ach ja, und blankgeputzt hab' ich die Messingbeschläge meines marmornen Kamins und auf die schwere Platte eine breite Blätterpflanze gestellt. Dahinter hängt das Bild der Medicäischen Venus und neben ihr der Hermes von Praxiteles.
    O nein, es hat dies wenig mit Symbolen zu tun, denn diese Ecke ist die sogenannte Musenecke meines Heimes. Links zwischen Bücherschrank und breitgelagertem Büfett ist meine Heimatecke – dort hängt das Bild des Kölner Domes, grüßen der Drachenfels, die Loreley, der Rhein. Die dritte Ecke ist der Tradition geweiht und birgt das Wappen und den langen Wappenbrief meiner Familie. Die vierte Ecke aber ist Bohème und Budenzauber, und kleine Verse bieten neckisch sich dar in den schmalen Rahmen.
    Wenn ich mit offenen Augen in mein Leben blicke, ist selten nur die Wirksamkeit des Traumes zu verspüren. Als Sohn des Rheins wurde mir ein Gemüt geschenkt, das sonnig ist wie das Gold der Reben – jetzt lache ich – fürwahr, man soll den Kölner suchen, der länger traurig ist als eine knappe Stunde! Uns rollt das Sonnenblut des Weines in den Adern, und sonnig ist das Leben uns in seiner Vielzahl dunkler Tage, denn nie sind äußere Nebel dicht genug, als daß das innere Licht sie nicht durchdringen könnte. Und wenn mal hie und da ein Träumer zum Olymp steigt, so ist's ein Dichterling wie ich, der sich in Liebe windet und in Wahrheit nur vom eigenen Glanz geblendet ist, welcher ihm vom Herzen in die Augen springt.
    Ich schaue wieder in den Spiegel – bah, wie struppig seh' ich aus! Staubbedeckt, mit Stoppeln am Kinn und schmutzigen Haaren, die Nase braun von Schuhcreme und am Ohr eine Portion Bohnerwachs – doch meine Augen lachen, meine
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