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Der Träumer

Der Träumer

Titel: Der Träumer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vergessen habe, ihr meine Blumen entgegenzustrecken. Das hätte leicht passieren können.
    Ich bin bei Paulchen, in ihrer Wohnung, betrete das Speisezimmer, beschreibe jetzt mit wohlgesetzten Worten kurz die Fahrt, während Paulchen ihre Aufmerksamkeit teilen muß, die eine Hälfte hat sie mir zuzuwenden, die andere den Blumen, deren Unterbringung in mehrere Vasen unaufschiebbare Aufgabe ist.
    Ich sitze inzwischen bequem, habe Einkehr in mein Herz gehalten, Einkehr bei Paulchen – und bin vorerst doch nur einer der üblichen Besucher, die mit leicht zur Seite geneigtem Haupt von den unbedeutendsten Dingen dieses Lebens sprechen.
    Und Paulchen lächelt, lächelt so verschmitzt und vergnügt, als sähe sie die Maske, hinter der meine Verlegenheit, ja Verkrampfung angesiedelt ist. Liegt die Blöße meines Herzens offen vor ihr? Amüsiert sie sich über die von mir zur Schau getragene Männlichkeit, mit der es gar nicht so weit her ist?
    Sie mustert mich mit ihren hellen Augen, prüft mich, geht vor mir durchs Zimmer, strahlt mit jeder Bewegung Verlockung aus – und schüchtert mich nur noch mehr ein. Plötzlich lacht sie, und ihr Lachen schneidet scharf in meine Seele … gerecht, oh, nur, gerecht sind diese Qualen. Stampfe mich zusammen, Paulchen, quäle, trete, foltere mich! Ich habe nicht den Sprung gewagt, der mich aus meiner Geistigkeit ans Ufer der Gefühle getragen hätte.
    »Sie sehen blaß aus«, sagst du, und ein ernster Zug verdunkelt deine Augen, während die Lippen nicht aufhören, mir blühend entgegenzulächeln. Und ich verneige mich und schwöre, daß es nur die Reaktion auf meine viele Arbeit ist. In den letzten Nächten hätte ich kaum Schlaf gefunden, da ein Roman mir auf der Seele gebrannt habe.
    Nein, Paulchen, nein … ich lüge, lüge frech dir ins Gesicht! An dich hab' ich gedacht, hab' ein Sonett auf dich geschrieben! Hundertmal habe ich die Worte vor mich hingemurmelt, habe sie mir eingeprägt, obwohl ich wußte, daß ich sie dir doch nicht in deine Augen sagen könnte. Ach Paulchen, Paulchen, diese Nächte waren Fegefeuer, Hölle, Himmel, alles zusammen. Alles mischte sich in mir, und ich saß mit geschlossenen Augen vor der Lampe meines Tisches und brach mit bebenden Händen meinen Bleistift mittendurch. Ich sah dich glücklich durch die Räume meines Häuschens gehen, sah dich im Garten liegen, eingehüllt in den goldenen Strahlenmantel der sommerheißen Sonne, sah dich über mir mit seligem Lächeln, wenn ich den heißen Kopf kühlend in die Kelche deiner Hände legte.
    Jetzt sitze ich vor dir, ziehe meine Bügelfalte gerade und spreche zu dir vom Wesen Hegelscher Materialisation. Es ist ein Plätschern in den Wassern unserer Geistigkeit, es ist ein Vorhang vor dem, was unsichtbar, doch spürbar gegenseitig überspringt. Du hörst mir zu und lächelst … ach, dieses Lächeln könnt' ich trinken … und deine Augen tasten meine Züge ab und wollen hinter ihnen die Gedanken lesen.
    O Paulchen, warum spielen wir dies heiße, wehe Spiel? Sieh, wie ich zittere!
    Jedoch mit ruhigen Händen zünde ich mir eine Zigarette an.
    Bin ich ein Feigling, weil ich Angst vor den Gefühlen habe? Oh, glaube das nicht, denn endlich weiß ich, wie die Liebe ist. Wirklich, es ist nicht gut, wenn ich im Wege stehe (ich habe mich erhoben), denn Paulchen deckt den Tisch im Speisezimmer mit dem Staatsgeschirr, dem leicht getönten Porzellan mit goldenen Rändern. Sie schmückt den Tisch wie eine stille Hochzeitstafel und sagt es mit verschmitztem Lächeln unbefangen mir in meine Augen, als sei Scherz das, was unsere Herzen heimlich taumeln läßt. So festlich ist die Wohnung plötzlich, und in der Brust füllt sich mit dem Wein des Lebens der Kelch der Seele, den ich dir kniend reichen möchte, o Ersehnte …
    Und doch – wie wenig ist ein Mann, wenn eine Frau im eignen Reiche waltet. Er steht herum, weiß mit seinen Händen nichts anzufangen und ärgert sich, daß er untätig einer Arbeit zusehen muß, die nur seinetwegen nötig geworden ist. Und erst ein Schriftsteller – oh, wie täppisch stehe ich da und folge mit den Blicken stumm den Schüsseln, Tellern und Terrinen, die aus dem breitgelagerten Büfett auf eine blütenweiße Decke wandern. Wahrlich, ich schelte mich, Paulchen die Mühe auferlegt zu haben, dies Porzellangebirge aufzutragen, später wieder wegzuräumen und zu spülen. Ich sehe aber, daß sie dies alles mit dem süßen Lächeln tut, das wie ein Balsam um mein brennend Herz sich legt.
    Ich
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