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Der Träumer

Der Träumer

Titel: Der Träumer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Umständen!«
    »Doch, ich wünsche es!«
    Fast geraten wir in Streit, vergeuden Worte an eine Sache, die es nicht wert ist, statt uns zu sagen, was Wichtigkeit in sich trägt. Die Minuten rasen.
    »Schluß jetzt!« beende ich den Disput energisch. »Sonst komme ich überhaupt nicht mehr …«
    Sie lächelt erschrocken.
    Es macht mich rasend, dieses Lächeln, macht mich durstig nach dem roten Glanz der Lippen. Was tun? Nichts. Die Zeit hat sich erschöpft.
    Ich bin ein Feigling, Paulchen, ein passiver Träumer.
    Gekonnt verbeugt sich meine Hülle und schreitet zur Wohnungstür. Lautlos brüllen innere Vulkane.
    Die Tür öffne ich, auf der Schwelle stehe ich – vorbei, verspielt, verpaßt – ich Narr, ich jämmerlicher Narr!
    »Gute Fahrt«, sagt Paulchen noch. »Ich freue mich schon auf das nächste Wiedersehen.«
    Ich eile, nein, ich springe die Treppe hinab und stürme aus dem Haus, wende mich nicht mehr um. Ich wüßte nicht, ob ich das durchhielte, dieses Fortstürmen, wenn ich es auch nur ganz kurz noch einmal unterbräche.
    Die Menschen weichen mir aus, um nicht niedergerannt zu werden von mir. Der Hund einer alten Frau will mir an die Beine, nur um eine Handbreit ist die Leine, die ihn daran hindert, zu kurz. Ich bemerke es kaum, eile weiter.
    Ermattet sinke ich im Zugabteil aufs Polster und starre vor mich hin. Mit einem fast unmerklichen Ruck fährt der Zug an. Leise, lauter und schneller werdend klopfen unter mir die Räder. Es klingt so dumpf in meinen Ohren, selbst die Gespräche der anderen Passagiere in unserem Abteil höre ich nur, als schirme mich rundum eine Wand ab. Mir ist, als würde sich mein Gehör nach innen wenden und nur die Schreie meiner Seele wahrnehmen.
    Ich zwinge mich dazu, mit dem Nachbarn zu meiner Linken eine Unterhaltung zu beginnen. Es ist ein Herr mit leicht ergrauten Schläfen, scharfer Hakennase und energisch vorgeschobenem Kinn. So sehen in den Vorstellungen mancher Autoren, die ihr erstes Buch noch nicht an den Mann gebracht haben, die Verleger aus. Meistens jedoch entpuppen sich solche Herren als biedere, runde Durchschnittsbürger mit einem Beruf ohne jede erwähnenswerte Besonderheiten.
    »Verzeihen Sie«, höre ich mich wie einen Fremden sprechen, »Sie fahren auch nach A.?«
    »Ein wenig weiter – München ist mein Ziel.«
    »Ah, München! Kenn' ich gut. Hab' manches Glas im Hofbräuhaus getrunken. Die Lustigkeit dort ist der Gegensatz zu der in Köln. Am Rhein trinkt man den Wein, an der Isar stemmt man den Krug mit Bier, doch die Räusche, die erzielt werden, sind die gleichen.«
    Der Herr lacht.
    »Sprechen Sie aus Erfahrung?«
    »Fehlt es Ihnen an solchen Erfahrungen?« antworte ich mit einer Gegenfrage.
    »Das will ich nicht sagen. Allerdings bin ich nur Weintrinker.«
    »Und wie steht's mit Schnaps?«
    Intelligentes Gespräch, das wir führen.
    »Den Schnaps trinkt bei mir zu Hause meine Frau.«
    Allgemeines Gelächter im ganzen Abteil.
    »Sie sind also verheiratet?«
    »Sie nicht?«
    »Nein.«
    »Dann haben Sie auch noch nichts versäumt.«
    Sogar zwei Damen, die mit uns im Abteil sitzen, scheinen sich auch zu amüsieren. Sie lachen, etwas verhalten zwar, aber sie lachen.
    Ach Paulchen, Paulchen, wenn du uns hören könntest …
    Ein Mann in mittleren Jahren sagt: »In München hätte ich gern studiert.«
    »Und wo haben Sie's getan?« fragt ihn der mit dem falschen Verlegerkopf.
    »Im Textilgeschäft meines Vaters. Ich mußte es übernehmen.«
    »Werden Damenartikel wieder teurer?« will die ältere der beiden Frauen wissen.
    »Herrenartikel auch.«
    »Alles wird teurer, das kann gar nicht anders gehen«, erklärt der Herr mit dem falschen Verlegerkopf.
    »Sind Sie auch Geschäftsmann?«
    »Ja.«
    »In welcher Branche?«
    »Ich bin Verleger.«
    Irritierend, der Mann.
    Nach kurzer Pause wendet er sich wieder an mich.
    »Sie kennen also München?«
    »Ziemlich, ja.«
    »Woher?«
    »Ich habe dort studiert.«
    »Na also«, sagt er zu allen, »da haben wir ja einen, der nicht das Textilgeschäft seines Vaters übernehmen mußte.«
    Gelächter.
    »Leider«, seufze ich.
    Paulchen, Paulchen, wenn du uns hören könntest …
    »Und was haben Sie in München studiert?«
    »Philosophie und Psychologie.«
    »Großer Gott! Und womit ernähren Sie sich?«
    »Ich schreibe.«
    »Allmächtiger! Was? Werbetexte?«
    »Nein. Schöngeistiges.«
    »Grundgütiger Vater!«
    »Sie sind entsetzt?«
    »Und wie!«
    »Das verstehe ich nicht. Sie kommen doch aus der Branche, haben Sie
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