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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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mit einigen Kollegen, die in der Auffahrt warteten.
    Er schien nicht überrascht, Sweeney zu sehen. »Wo ist Jack?«, fragte er. »Wo ist er?«
    »Ich habe keine Ahnung. Ich war nicht mit ihm zusammen.« Sweeney war verwirrt. Wieso war er hier? Woher wusste er Bescheid? Aber um Fragen zu stellen war keine Zeit.
    »Wir haben die Auffahrt gesperrt. Gibt es noch eine andere Möglichkeit, das Grundstück zu verlassen?«
    »Es gibt noch den Pfad, der an der Küste entlangführt«, antwortete Sweeney. »Dort unten.« Sie zeigte zum Ende der Rasenfläche.

    »Zeigen Sie ihn mir.« Quinn nahm eine Taschenlampe von seinem Gürtel und lief hinter Sweeney über den Rasen auf die Hecke zu. Der helle Lichtkegel von Quinns Taschenlampe beleuchtete den Küstenpfad und die Böschung.
    In dem Moment entdeckte Sweeney den Schatten auf dem Weg, der auf die Felsen zusteuerte.
    »Stehen bleiben!«, schrie Quinn. »Polizei!« Mit einer flinken Bewegung, die nicht länger als drei Sekunden dauerte, hielt er seine Waffe in der Hand und zielte auf den Schatten unter ihnen. Die Taschenlampe fiel scheppernd zu Boden. »Stehen bleiben!«, brüllte er erneut. Der Schatten im Mondlicht hielt inne, doch dann setzte er sich wieder in Bewegung.
    Sweeneys Herz raste. Sie legte Quinn eine Hand auf den Arm. »Nicht schießen«, sagte sie. »Ich muss mit ihm reden.«
    Aber er nahm sie gar nicht wahr. Er stand vollkommen still, die Waffe zeigte auf den Pfad. »Ich warne Sie, ich werde schießen«, rief er wieder. »Bleiben Sie stehen!«
    Sweeney besah sich den dunklen, verlassenen Pfad. »Ich gehe runter«, sagte sie zu Quinn. »Sehen Sie, er wird springen. Ich weiß, was passiert ist. Ich kann mit ihm reden.«
    »Nein!« Er sah sie nicht einmal an. »Sie gehen nicht da runter!«
    »Ich muss. Sonst springt er.« Ehe sie wusste, was sie tat, sprang Sweeney über die Hecke und rannte den Cliff Walk entlang. In einiger Entfernung hörte sie das leise schleppschlapp von Schritten auf dem Kies. In ungefähr vierhundert Metern wurde der Weg richtig steinig. Ohne Taschenlampe würde sie dort kaum vorankommen.
    Der Mond schien immer noch groß vom dunkelvioletten Himmel, und die Luft roch nach Salz und noch etwas anderem, Geißblatt vielleicht. Sweeney fühlte sich plötzlich lebendig, wachsam wie ein Tier. Ihre Sinne waren alle hellwach.
    Vor ihr lag der Eingang des zweiten Tunnels. Als sie ihn
betrat, war der Mondschein verschwunden. Verängstigt tastete sie sich an der Wand entlang, fühlte zuerst den Stein und dann das gewellte Metall, womit die feuchten, gerundeten Wände verkleidet waren. Nach dreißig Sekunden war der Mondschein am anderen Ende zu sehen, und sie wappnete sich für die letzten vorsichtigen Schritte.
    Aber vorher streckte sie die Hände erneut nach der Wand aus und berührte stattdessen menschliche Haut, warmes menschliches Fleisch, das sich bewegte, die Arme ausstreckte und um sie schlang und heiser flüsterte: »Sei still.«
    Sie begann zu schreien, aber eine Hand legte sich auf ihren Mund, und sie schmeckte salzige Haut. Sie wurde über den Kies im Tunnel geschleift und rang nach Atem, als die stickige, dunstige Luft ins Freie weichen konnte und sie wieder auf dem Pfad waren und auf die Felsen zusteuerten.
    »Nein«, wollte sie schreien. Sie trat und krümmte sich, aber sie wurde bis zum Rand des Weges gezerrt, neben dem die zackigen Felsblöcke aufragten. Darunter war das Meer.
    Dann hielten sie inne. Die Stimme drang unerkennbar in ihr Ohr. Sie roch Schweiß. »Ist sie tot? Melissa? Ist sie tot?«
    »Nein«, japste Sweeney. »Sie wurde ins Krankenhaus gebracht.«
    »Oh Gott.«
    Er ließ sie los, und als sie sich aufrichtete, um sich zu orientieren, ging Drew Putnam auf die Felsen zu, setzte sich hin und stützte den Kopf in die Hände.
    »Sie kann noch gerettet werden, Drew«, sagte Sweeney. »Es kommt alles wieder in Ordnung. Lassen Sie uns zum Haus zurückgehen und über alles reden. Wir können ihnen alles erklären. Noch ist es nicht zu spät. Noch haben Sie die Chance, zurückzugehen und alles wieder einzurenken.«
    »Woher wissen Sie das?« Er schluchzte. »Sie verstehen nicht.«
    »Ich denke, schon.« Sie erzählte ihm, wie sie dahintergekommen
war und von allem, was sie in den letzten Wochen herausgefunden hatte, und schließlich hörte er auf zu weinen.
    »Lassen Sie uns wieder zum Haus gehen«, sagte sie. »Gehen wir einfach zurück.«
    Aber dann bemerkten sie die Scheinwerfer oben über ihnen auf dem Pfad, und sie hörten
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