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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee
Autoren: Kjell Eriksson
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aber das machte Lennart nicht viel aus, denn er trieb sich die meiste Zeit eine Etage tiefer bei den Flipperautomaten herum.
    Dort im »Sivia« hatte Berit die beiden auch kennengelernt. Sie verliebte sich augenblicklich in John. Er schlich mit dem Queue in der Hand um den Billardtisch und konzentrierte sich in einer Weise auf das Spiel, die Berit sehr gefiel. Er sagte nur selten etwas.
    Er hatte schmale Hände. Sie studierte seine gespreizten Finger auf dem grünen Filz. Sein Blick war auf das Queue fokussiert und sehr ernst. Diese Ernsthaftigkeit fiel ihr auf. Und seine Wimpern. Sein Blick. Sein intensiver Blick.
    Warum sie an die Billardhalle denken mußte, wußte sie nicht. Sie war seit Jahren nicht mehr dort gewesen. Wahrscheinlich lag es daran, daß sie an Bruder Tuck gedacht hatte. Vielleicht war John bei ihm. Sie zögerte jedoch, ihn anzurufen. Sie tranken bestimmt. Manchmal redete John sich ein, er müsse sich mal wieder mit Lennart ordentlich einen hinter die Binde kippen. Das passierte zwar nicht mehr so oft, aber wenn er es einmal beschlossen hatte, gab es nichts, was ihn daran hindern konnte. Nicht einmal Justus. Der Junge wußte das, er kannte seinen Vater sehr gut und protestierte dementsprechend selten besonders laut oder lange.
    Ein einziges Mal, Justus war damals ungefähr zwölf gewesen, hatte John sich erweichen lassen, nach Hause zu kommen. Justus hatte selber seinen Onkel angerufen und darum gebeten, mit John sprechen zu dürfen. Berit durfte nicht zuhören, der Junge schloß sich mit dem schnurlosen Telefon in der Toilette ein. John erschien eine halbe Stunde später, zwar schwankend, aber er war zu Hause.
    Es kam ihr so vor, als bewirkten die seltenen Abende und Nächte mit Lennart eine sporadische Rückkehr in das frühere Leben der beiden. Es waren diese Saufabende, die die beiden Brüder zusammenschweißten. Worüber sie sich unterhielten, wußte Berit nicht. Sprachen sie über die alten Zeiten, die Kindheit im Stadtteil Almtuna, oder sonst was? Sie hatten sich ansonsten nichts großartig mitzuteilen. Sie hingen aneinander, weil sie eine gemeinsame Vergangenheit hatten.
    Berit war manchmal eifersüchtig auf diese Rückentwicklung in eine Welt, die ihr teilweise fremd war. Johns und Lennarts Kindheit – die frühen Jahre – erschienen immer wie die einzig wirklich glücklichen, wenn die beiden auf sie zu sprechen kamen. Sogar in Lennarts Stimme schlich sich eine Wärme, die ihm ansonsten abging.
    »Wann kommt er?«
    »Er kommt sicher bald«, rief sie als Antwort.
    Sie war froh, daß Justus in seinem Zimmer war.
    »Er hilft bestimmt beim Schneeräumen. Es ist unglaublich, was da runterkommt.«
    Der Junge sagte nichts. Sie wartete auf eine zweite Frage. Sie wollte seine Stimme hören, aber er blieb stumm. Was tut er? Was denkt er? Sollte sie es wagen, die Küche verlassen und in sein Zimmer gehen? Aber das Halbdunkel der Küche war, was sie in diesem Moment ertragen konnte. Kein Licht, keine schnellen Computerbilder, keine fragenden Blicke von Justus.
    »Vielleicht kannst du Harry helfen«, rief sie. »Dir was außer der Reihe verdienen.«
    Keine Reaktion.
    »Er könnte bei den Kellereinfahrten bestimmt Hilfe gebrauchen.«
    »Sein Schnee kann mir gestohlen bleiben.«
    Justus stand plötzlich wieder in der Tür.
    »Das ist nicht nur seiner«, sagte Berit leise.
    Der Junge schnaubte und streckte sich nach dem Lichtschalter an der Wand.
    »Nein, laß aus!«
    Sie bereute ihre Worte sofort.
    »Es ist gemütlich, wenn es ein bißchen dunkel ist. Ich kann statt dessen ein paar Kerzen anzünden.«
    Sie spürte seinen Blick.
    »Du würdest ein bißchen Geld verdienen«, sagte sie.
    »Ich brauche kein Geld. Übrigens hat Papa Geld.«
    »Sicher, aber nicht sehr viel. Du hast doch davon gesprochen, daß du dir einen Fotoapparat kaufen willst.«
    Justus schaute sie abweisend an. War es Triumph, was sie in seinem Blick sah?
    »Ich finde, du solltest ihn auf jeden Fall fragen«, fuhr sie fort.
    »Kannst du nicht endlich damit aufhören«, sagte er, drehte den Körper, wie nur er es konnte, und verschwand wieder in seinem Zimmer.
    Sie hörte, wie er die Tür zuschlug, das Knacken, als er sich auf sein Bett warf. Sie trat wieder ans Fenster. Harry war mit seinem Traktor verschwunden. Im Haus gegenüber waren die meisten Fenster beleuchtet. Sie sah Familien, die sich um den Eßtisch versammelt hatten. Hinter einigen Scheiben schien bläuliches Fernsehlicht.
    Ein Schatten bewegte sich zwischen den Garagen, und
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