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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee
Autoren: Kjell Eriksson
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diese Strecke jeden Morgen.«
    »Und was hat er da im Schnee gemacht?«
    »Er läuft auf dem Fahrradweg bis hierhin und kehrt dann wieder um. Aber vorher macht er noch ein paar gymnastische Übungen. Dafür will er etwas von der Straße wegkommen. So hat er es uns jedenfalls erklärt.«
    »Hat er etwas gesehen?«
    »Nein, nichts.«
    »John hat bestimmt schon seit gestern abend hier gelegen«, mischte Ryde sich ein.
    »Reifenspuren?«
    »Massenhaft«, sagte Beatrice.
    »Es ist eine Schneekippe«, meinte Fredriksson.
    »Das ist mir auch schon aufgefallen«, sagte Haver.
     
    Er betrachtete den kleinen John genauer. Der Tote war von jemandem gründlich in die Mangel genommen worden, der entweder sehr zielstrebig oder völlig außer sich vor Wut gewesen war. Die Brandmale, wahrscheinlich von einer Zigarette, waren tief. Haver bückte sich und studierte die Handgelenke des kleinen John. Dunkelrote Male deuteten auf ein fest zugezogenes Seil hin.
    Die Stümpfe der gekappten Finger waren schwarz. Die Schnitte waren präzise durchgeführt worden, wahrscheinlich mit einem sehr scharfen Messer, einer Schere, vielleicht auch einer Zange.
    Ottosson trottete heran. Haver ging ihm entgegen.
    »Der kleine John«, sagte er bloß, und der Leiter des Kommissariats nickte.
    Er sah überraschend wach aus. Vielleicht hatte die frische Luft Ottosson munter gemacht. »Ich habe gehört, daß er verstümmelt worden ist.«
    »Was wußte der kleine John, das so wichtig war?«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich glaube, daß er gefoltert wurde«, antwortete Haver, dem die Zierfische des Ermordeten in den Sinn kamen. Piranhas, dachte er, und es schauderte ihm bei dem Gedanken.
    Ottosson zog die Nase hoch. Es kam ein Windstoß, der beide aufblicken ließ. Havers Nachdenklichkeit vom frühen Morgen war noch nicht von ihm abgefallen. Er kam sich teilnahmslos und unprofessionell vor.
    »Eine Abrechnung«, meinte er.
    Ottosson holte ein kariertes Taschentuch heraus und schneuzte sich lautstark. »Dieser verdammte Wind«, sagte er. »Habt ihr was gefunden?«
    »Bisher noch nicht. Er dürfte mit einem Auto hierher verfrachtet worden sein.«
    »Sie ist offen«, stellte Ottosson fest und nickte in Richtung einer Schranke. »Ich komme hier ziemlich oft vorbei und sehe nie jemanden hereinfahren, außer im Winter, wenn die Wagen der Stadt Schnee abkippen.«
    Haver wußte, daß Ottosson etwa zwanzig Kilometer außerhalb der Stadt ein Wochenendhaus besaß, und glaubte gehört zu haben, daß es am Gysingevägen lag.
    Ottosson drehte sich plötzlich um und nahm Kurs auf Fredriksson und Ryde, die sich bei der Leiche unterhielten. Bea hatte die beiden verlassen und durchstreifte die Umgebung.
    »Warum bist du hergekommen?« rief Haver seinem Chef nach.
    Ottosson tauchte sonst nie so schnell an einem Tatort auf.
    »Ich habe den kleinen John verhaftet, als er sechzehn war. Es war sein erster Kontakt mit uns.«
    »Wie alt ist er jetzt?«
    »Zweiundvierzig«, sagte Ottosson und ging zu seinem Auto.

4
    Sie war völlig überrascht. Sie hatte sich umgeschaut, weil es klang, als hätte auf dem Parkplatz jemand aufgeschrien. Es war der Schrei einer Frau.
    Als Ann Lindell wieder nach vorne sah, stand vor ihr der Weihnachtsmann mit einem überdimensionalen Bart und einer makabren Maske.
    »Gott, haben Sie mich erschreckt!«
    »Frohe Weihnachten«, polterte der Weihnachtsmann und versuchte wie eine Walt-Disney-Figur zu klingen.
    Fahr zur Hölle, dachte sie, lächelte jedoch.
    »Nein danke«, sagte sie, so als wollte der Weihnachtsmann ihr etwas aufschwatzen, was vermutlich auch seine Absicht gewesen war, denn er verlor augenblicklich das Interesse an ihr und stürzte sich auf ein Paar mit drei Kindern im Schlepptau.
    Sie betrat das Einkaufszentrum. Er sollte lieber Schnee schippen, dachte sie, damit man besser reinkommt. Sie stampfte den Schnee von den Schuhen und holte die Einkaufsliste heraus. Sie war ellenlang. Ann Lindell war bereits jetzt erschöpft.
    Zuoberst standen Kerzen, dann folgte eine wüste Mischung aus Lebensmitteln und Zutaten. Sie wollte nicht, aber ihr blieb nichts anderes übrig. Es war das erste Mal, daß ihre Eltern Weihnachten in Uppsala feiern würden. Zwar hatte ihre Mutter versprochen, einige traditionelle Weihnachtsgerichte mitzubringen, aber die Liste war dennoch umfangreich.
    Schon in der Gemüseabteilung geriet Ann Lindell ins Schwitzen.
    »Haben Sie Grünkohl?« beeilte sie sich eine Angestellte zu fragen, die an ihr vorbeilief und als Antwort in
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