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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee
Autoren: Kjell Eriksson
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ihm geholfen, als es aufgestellt werden sollte. Er und Gunilla waren bei der Einweihung dabei gewesen. Berit hatte es etwas albern gefunden, ein Aquarium einzuweihen, aber es war ein schöner Abend geworden.
    Ihr nächster Nachbar, Stellan, hatte hereingeschaut, genau wie Johns Mutter, und sogar Lennart war nüchtern und guter Dinge gewesen. Stellan, der sonst ziemlich zurückhaltend war, hatte den Arm um sie gelegt und eine Bemerkung darüber gemacht, wie süß sie war. John hatte nur gegrinst, denn von Stellan ging keine Gefahr aus. Ansonsten konnte John empfindlich auf so etwas reagieren, vor allem wenn er ein paar Gläser intus hatte.
    Harry war inzwischen fertig mit dem Parkplatz. Das alarmierende Licht wurde in neuen Kaskaden über den Fußweg zur Waschküche und zum Gemeinschaftsraum der Siedlung geschleudert. Schneeräumen. Berit hatte nur diffuse Vorstellungen davon, was das bedeutete. Kletterte man heute noch wie früher auf die Dächer hinauf? Aus ihrer Kindheit kannte sie dick vermummte Männer mit riesigen Schneeschaufeln und Seilen, die sie in großen Schleifen über der Schulter trugen. Sie konnte sich sogar an die Warnschilder erinnern, die sie auf dem Hof und der Straße aufstellten.
    War er vielleicht bei Lennart? Bruder Tuck, wie John ihn nannte. Sie mochte das nicht. Es erinnerte sie an jene vergangene Zeit mit Lennarts polternder Selbstsicherheit und Johns verbissenem Schweigen, das sie so schlecht einschätzen konnte.
    Berit war erst sechzehn gewesen, als sie den beiden begegnet war. Erst lernte sie John kennen, bald aber auch Lennart. Die Brüder schienen damals unzertrennlich zu sein. Lennart, der seine langen schwarzen Haare zurückwarf, unberechenbar in seinen Bewegungen, immer auf dem Sprung, nervös fingernd und plappernd. John, blond, mit schmalen Lippen und etwas Sanftem in seiner Art, das Berit vom ersten Moment an angesprochen hatte. Eine Narbe über dem linken Auge bildete einen eigenartigen Kontrast zur hellen Haut in seinem leicht femininen Gesicht. Die Narbe stammte von einem Mopedunfall, natürlich mit seinem Bruder als Fahrer.
    Berit konnte kaum glauben, daß John und Lennart den gleichen Vater hatten. So verschieden waren ihre Art und ihr Aussehen. Einmal hatte sie Aina, die Mutter der beiden, darauf angesprochen, zu später Stunde bei einem feuchtfröhlichen Krebsessen, aber Aina hatte nur den Mund verzogen und eine spitze Bemerkung gemacht.
    Es dauerte nicht lange, bis Berit begriff, daß die Brüder sich ihren Lebensunterhalt nicht immer auf traditionelle Weise verdienten. Zwar arbeitete John gelegentlich in der Werkstatt, aber sie hatte das Gefühl, daß er es nur tat, um so den Schein zu wahren, vor allem Albin gegenüber, seinem Vater.
    John konzentrierte sich mehr auf kriminelle Machenschaften. Nicht aus Bösartigkeit oder Gier. Es war vielmehr, als würde ihm das konventionelle Leben nicht wirklich ausreichen. Dieses Gefühl teilte er mit vielen in seiner näheren Umgebung, oberflächlich betrachtet waren sie leidlich angepaßte Jugendliche, die abends und nachts jedoch wie unruhige Tiere durch die östlichen Stadtteile Uppsalas streiften, stahlen, sich Handtaschen griffen, Mopeds und Autos klauten, in Keller einbrachen und ein paar Schaufenster einschlugen, wenn ihnen gerade danach war.
    Einige gehörten ständig zur Gang, darunter John und Lennart, andere kamen und gingen, die meisten von ihnen verschwanden nach einem halben oder einem Jahr wieder.
    Manche besuchten die Berufsschule und machten eine Ausbildung zum Maler, Betonbauer, Kfz-Mechaniker, oder was sonst für Arbeiterkinder Anfang der siebziger Jahre im Angebot war. Andere bekamen direkt nach der Schule einen Job. Niemand besuchte das Gymnasium. Es fehlte am Willen und an den entsprechenden Noten.
    John fing in einer Werkstatt an und machte eine Ausbildung als Schweißer. Wenn viel zu tun war, mußte er einspringen, und er entwickelte sich zu einem tüchtigen Fachmann. Er war sorgfältig und wurde gelobt, nicht so sehr von Sagge, seinem Chef, aber dafür um so mehr von seinen drei Arbeitskameraden.
    »Wenn es meine Kollegen nicht gegeben hätte, wäre alles den Bach runtergegangen«, hatte er einmal zu Berit gesagt.
    Als er in der Werkstatt fest angestellt war, kam er weg von der Straße und der Gang. Er erhielt neben der Anerkennung ein regelmäßiges Gehalt und hatte außerdem Berit getroffen.
    Abends hingen John und Lennart oft in der Billardhalle des »Sivia« herum. John war der geschickteste Spieler,
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