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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee
Autoren: Kjell Eriksson
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Verbindung, nahm ein Stück Toilettenpapier und putzte sich die Nase. Im Flur sangen die Kinder mit gellenden Stimmen auf finnisch ein Lied. Sie wählte Berits Nummer. Als sie abhob, mußte Lindell sich alle Mühe geben, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Sie wußte, wie erleichtert Justus’ Mutter sein würde.
    »Gott sei Dank«, flüsterte Berit.
    Lindell konnte sie vor sich sehen und mußte schlucken.
    »Da ist noch etwas. Im Kleiderschrank im Zimmer von Justus ist Geld, viel Geld. Es gehörte John. Ich werde Ihnen später erzählen, wie er dazu gekommen ist. Es ist nicht nur der Spielgewinn, soviel kann ich Ihnen schon verraten. Ich schaue kurz bei Ihnen vorbei, damit wir uns unterhalten können, dann kommen meine Kollegen.«
    »Aber was ist mit Justus?«
    »Er ist in Sicherheit. Geben Sie ihm ein paar Stunden. Ich verspreche Ihnen, daß es ihm gut geht.«
    »Was ist das für Geld, von dem Sie da reden?«
    »Ich komme vorbei. Okay?«
    Sie kehrte in die Küche zurück. Der Junge sah auf.
    »Ich habe gerade einem Konzert auf finnisch gelauscht«, sagte Lindell leichthin und versuchte zu lächeln.
    »Das sind meine Enkelkinder«, erklärte Erki.
    »Kann Justus noch etwas hierbleiben?« fragte sie.
    Erki und Justus sahen sich an.
    »Natürlich«, antwortete Erki. »Wir rufen Berit an. Ich werde ihn dann später zu ihr fahren.«
    Lindell nickte.
    »Ich fahre jetzt nach Hause«, meinte sie, zögerte jedoch.
    »Auf Wiedersehen, Justus. Bis bald.«
    Sie schaute Erki an. Langsam stand er vom Tisch auf. Lindell verließ die Küche, der Finne folgte ihr in den Flur.
     
    »Da ist noch etwas«, sagte sie, während sie in dem Schuhberg wühlte.
    Erki schloß die Tür zur Küche.
    »Ich möchte … Ich weiß, daß es verkehrt ist, aber da ist noch eine Sache.«
    Lindell fischte den ersten Stiefel heraus. Sie drehte sich zu dem Mann um.
    »Das mit den Träumen«, fuhr sie fort. »Sind nicht unsere Kinder das Wichtigste?«
    Erki nickte.
    »Ich habe mir überlegt … Justus träumt doch von Afrika.«
    Erki schaute zur Küchentür und trat näher an Lindell heran.
    »Afrika sieht nicht so aus, wie er es sich vorstellt, aber es ist der Traum gewesen, den er zusammen mit dem kleinen John hatte. Was geschieht jetzt mit dem Jungen?«
    Ein Haufen Kinder stürmte aus dem Wohnzimmer. Als sie Lindell zu Gesicht bekamen, blieben sie sofort stehen. Sie sahen den Stiefel in ihrer Hand und das Durcheinander von Schuhen auf dem Fußboden. Erki sagte etwas auf finnisch zu ihnen, und sie zogen sich augenblicklich wieder zurück und schlossen die Tür hinter sich.
    »Ich möchte«, setzte Lindell noch einmal an, nun jedoch mit festerer Stimme, »daß Sie hunderttausend Kronen aus dem Rucksack herausnehmen. Verstecken Sie das Geld, und wenn sich die Wogen ein wenig geglättet haben, sorgen Sie dafür, daß Berit und der Junge nach Afrika kommen. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Erki nickte.
    »Er muß die Chance haben, sein Afrika zu sehen, selbst wenn es nur für eine Woche ist«, sagte Lindell.
    »Aber das ist doch eigentlich nicht erlaubt, oder?« meinte Erki.
    Lindell schüttelte den Kopf.
    »Ich würde auf der Stelle gefeuert, wenn es herauskäme, aber Sie mögen den Jungen doch.«
    Erki Karjalainen lächelte. Lindell merkte, daß sein Atem nach Glühwein roch.
    »Nehmen Sie ein Taxi zu Berit und zurück«, sagte sie.
    »Aber zu stehlen?« fragte Erki. »Was soll der Junge davon halten?«
    »Sagen Sie ihm, John habe es so gewollt.«
    Erki beugte sich etwas vor, und für einen Moment dachte Lindell, er hätte die Absicht, sie zu umarmen, aber der Finne sah sie nur durchdringend an, so als wollte er von ihrem Gesicht ablesen, ob sie auch wirklich bei ihrer Meinung bleiben würde.
    »Feiern Sie Weihnachten alleine?«
    Lindell schüttelte den Kopf, bückte sich und zog den zweiten Stiefel hervor.
    »Wir wollen Berit und Justus zu uns einladen«, sagte Erki, »wenn Sie auch kommen möchten, sind Sie herzlich willkommen.«
    Lindell schaute sich um, setzte sich auf einen Hocker und zog sich mit konzentrierten Bewegungen die Stiefel an. Sie wollte fort, aber gleichzeitig auch bei Familie Karjalainen bleiben. Sie seufzte schwer und zog den Reißverschluß des zweiten Stiefels zu.
    »Meine Eltern sind zu Besuch«, sagte sie, und es gelang ihr, Erki anzulächeln. »Aber trotzdem vielen Dank. Das ist wirklich sehr nett von Ihnen.«
     
    Lindell trat mit einem Gefühl großer Sehnsucht in die Kälte hinaus. Sie sah sich um. Jemand drückte sich die Nase an
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