Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee
Autoren: Kjell Eriksson
Vom Netzwerk:
einer Fensterscheibe platt, und Lindell winkte.
    Sie ließ den Wagen wie immer einen Augenblick im Leerlauf tuckern. Als sie den ersten Gang einlegte, fiel ihr ein, warum sie das tat: weil ihr Vater dies auch immer bei seinem Getränkelaster getan hatte. Kurz bevor er sich auf den Weg gemacht hatte, war er stets hinausgegangen und hatte den Motor angelassen. Anschließend war er dann noch einmal hineingekommen und hatte die letzten Schlucke seines Kaffees getrunken, ehe er zu seiner Tour aufbrach.
    Sie rief zu Hause an. Diesmal war der Tonfall ihrer Mutter befehlend.
    »Du kommst sofort nach Hause«, sagte sie.
    »Es geht um einen Jungen, der in Schwierigkeiten ist«, erläuterte Ann ihr.
    »Du hast selber einen Jungen«, erwiderte ihre Mutter schneidend.
    »Dem geht es gut«, meinte Ann, obwohl sich ihr schlechtes Gewissen regte.
    »Wo bist du?«
    »Hörst du nicht, ich komme bald nach Hause! Ich muß nur noch kurz eine Frau in der Stadt besuchen.«
    Ihre Mutter legte auf, was Ann nicht weiter erstaunte. Lindell wußte, daß sie zu einer längeren Diskussion mit ihrer Tochter nicht in der Lage war. Dazu war die Distanz zwischen ihnen zu groß geworden.
    Sie verdrängte die Gedanken an ihre Eltern und dachte an die Arbeit. War es richtig gewesen, Erki zu bitten, einen Teil des Geldes abzuzweigen? Er hatte moralische Bedenken geäußert, aber im Grunde war es tatsächlich Johns Geld. Auch wenn er mit gestohlenem Geld gepokert hatte, gehörte der Gewinn doch wohl ihm? Wenn man das Geld aus der Werkstatt abzog, würden vielleicht sogar wesentlich mehr als hunderttausend Kronen übrigbleiben und Berit und Justus zufallen.
    Sie lächelte vor sich hin. Nachdem sie ein paar Knöpfe gedrückt hatte, bekam sie das Autoradio in Gang. Die ruhige Musik, die das Wageninnere erfüllte, weckte in ihr die Erinnerung an eine andere Autofahrt an einem Sommertag vor mehreren Jahren, als sie in südliche Richtung zu ihren Eltern unterwegs gewesen war. Die Musik und ihre Verwirrung hatten sie damals anhalten, wenden und zum ersten Mal zu Edvard auf Gräsö fahren lassen.
    Damals war es Sommer gewesen. Damals hatte sie Edvard gehabt. Jetzt war eisiger Winter. Plötzlich verbittert über sich selber, ihr tristes Schicksal und die Unfähigkeit, ihr Leben in den Griff zu bekommen, schaltete sie das Radio wieder aus.

42
    Ruben Sagander schwitzte und hatte das Gefühl, der Schweiß würde auf seinem Körper zu einem Panzer gefrieren. Er sah zu Berit Jonssons hell erleuchteten Fenstern hinauf, betrat das Haus, machte im Treppenhaus jedoch kein Licht. Er holte tief Luft und begann, die Treppe hinaufzusteigen. Im Hausflur roch es nach Weihnachten. Eine Tür nach der anderen ließ er hinter sich und hörte Musik und Stimmen. Mittlerweile schwitzte er stark, so wie er es immer bei der Jagd tat, wenn ein Elch in seinem Blickfeld auftauchte und er langsam und ohne zu atmen das Gewehr hob.
    Noch ein Stockwerk. Vor seinem inneren Auge tauchte das ramponierte Schild der Werkstatt auf, und er erinnerte sich an das Geräusch der ersten Drehbank, die sie darin aufgestellt hatten. Für ein paar Sekunden ging er nur zögernd weiter. Eine Etage unter ihm öffnete sich eine Tür, und er hörte Schritte, die sich entfernten.
    »Nimm doch auch die Kartons mit«, rief eine Frau.
    Die Schritte hörten auf. Ein Mann murmelte etwas und kehrte in die Wohnung zurück. Nach einem kurzen Wortwechsel lief er wieder abwärts. Ruben Sagander blieb regungslos stehen und war froh, daß der Mann das Licht nicht angemacht hatte. Die Haustür wurde geöffnet. Sagander wartete und fingerte an dem Messer in der Tasche seines Jagdanzugs herum. Zwei Minuten später kehrte der Mann zurück, schlurfte die Treppe hinauf, eine Tür wurde geöffnet, Musik drang in den Flur, und die Tür wurde wieder geschlossen. Sagander atmete durch und ging weiter.
    Vor Berits Tür holte er die Mütze heraus, die er aus dem Auto mitgenommen hatte. Er nahm das Messer aus der Scheide, zielte mit der Klinge und stach zwei Löcher hinein, zog sich die Mütze übers Gesicht und legte die Hand auf die Klinke. Die Tür war nicht abgeschlossen.
     
    Berit saß am Küchentisch und starrte sprachlos den Karton mit den Geldscheinen an. Tausende von Kronen. So viel Geld hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sie steckte die Hand hinein und verteilte ein Bündel Fünfhunderter vor sich. Plötzlich begann sie zu weinen.
    »Warum nur, John?« schluchzte sie und wischte die Geldscheine mit einer schnellen Bewegung vom
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher