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Der Todeskanal

Der Todeskanal

Titel: Der Todeskanal
Autoren: Isaac Asimov
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die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln.
    »Sicher ist es nicht möglich, die Sonne hin- und herzubewegen, wie man es gerade möchte.«
    »Warum nicht? Genauso stellen wir die richtige Temperatur in einem Brutkasten her. Glauben Sie, die Bakterien wissen, wie die Hitze entstanden ist, die sie umgibt? Wer weiß das? Vielleicht entwickeln sie auch Theorien. Vielleicht haben sie ihre eigene Kosmogenie über kosmische Katastrophen, die aus zerbrochenen Glühbirnen bestehen. Vielleicht glauben Sie an irgendeinen wohltätigen Schöpfer, der sie mit Futter und Wärme versorgt und zu ihnen spricht: ›Seid fruchtbar und vermehret euch!‹
    Wir pflanzen uns wie sie fort, und wir wissen nicht, warum. Wir beobachten die sogenannten Gesetze der Natur, die nichts anderes sind als unsere Interpretationen der unverstandenen Mächte, die uns beherrschen.
    Und jetzt machen sie das größte und bedeutendste Experiment mit uns. Es dauert schon zweihundert Jahre. Ich kann mir vorstellen, daß sie im siebzehnten Jahrhundert beschlossen, Englands Fähigkeit für Mechanik zu entwickeln. Wir nennen das die industrielle Revolution. Es begann mit Dampfenergie, dann folgte die Elektrizität und schließlich die Atomenergie. Es war ein interessantes Experiment, und sie trieben es bis zum äußersten. Und deshalb müssen sie es jetzt auf ziemlich drastische Weise beenden.«
    »Und wie wollen sie es beenden?« fragte Blaustein. »Haben Sie eine Idee?«
    »Welches Mittel gibt es wohl, ein technisches Zeitalter zu beenden? Die ganze Welt fürchtet einen Atomkrieg und unternimmt alles, um ihn zu verhindern. Aber ebenso herrscht die weltweite Furcht, daß ein Atomkrieg unvermeidlich sein wird.«
    »Mit anderen Worten, die Experimentatoren werden einen Atomkrieg arrangieren, gleichgültig, ob wir damit einverstanden sind oder nicht, um die technische Ära zu beenden und eine neue zu beginnen. Das meinen Sie doch, nicht wahr?«
    »Ja. Das ist doch logisch. Wenn wir ein Instrument sterilisieren, wissen dann die Bakterien, woher die tödliche Hitze kommt? Oder wodurch sie verursacht wird? Und genauso gibt es einen Weg, wie die Experimentatoren unsere Emotionen erhitzen können, einen Weg, wie sie unsere Handlungen beeinflussen, der über unser Verständnis hinausgeht.«
    »Und deshalb wollen Sie sterben? Weil Sie glauben, daß die Zerstörung der Zivilisation bevorsteht und durch nichts aufgehalten werden kann?«
    »Ich will nicht sterben«, sagte Ralson. »Aber ich muß.« Unsägliche Qual sprach aus seinen Augen. »Doktor, wenn Sie eine Kultur sehr gefährlicher Bakterien angelegt haben, die Sie ständig unter Kontrolle halten müssen, wäre es da nicht notwendig, daß Sie in einer gewissen Entfernung vom Impfzentrum einen mit Penizillin imprägnierten Kreis von Agar-Medien errichten? Alle Bakterien, die sich zu weit vom Zentrum entfernen, würden sterben. Ganz automatisch.
    Und sehen Sie, Doktor, genauso legen die Experimentatoren einen Penizillinring um unseren Intellekt. Wenn wir zu weit ausschwärmen, wenn wir die wahre Bedeutung unserer Existenz durchbrechen, stoßen wir auf das Penizillin und müssen sterben. Es funktioniert ganz langsam, aber unaufhaltsam.«
    Er lächelte traurig.
    »Kann ich jetzt in mein Zimmer zurückgehen, Doktor?«
     
    Um die Mittagsstunde des nächsten Tages kam Dr. Blaustein in Ralsons Zimmer. Es war ein kleiner, unpersönlicher Raum. Die Wände waren mit grauem Gummi verkleidet. Die kleinen Fenster lagen in unerreichbarer Höhe. Direkt auf dem Gummiboden lag eine Matratze. Kein einziger Metallgegenstand befand sich im Zimmer, kein einziger Gegenstand, mit dem man hätte Selbstmord begehen können.
    Ralson setzte sich auf.
    »Hallo!«
    »Hallo, Dr. Ralson. Kann ich mit Ihnen sprechen?«
    »Hier? Ich kann Ihnen keinen Stuhl anbieten.«
    »Das macht nichts. Ich kann stehen. Ich sitze die ganze Zeit, und da tut mir das Stehen manchmal ganz gut. Dr. Ralson, ich habe die ganze Nacht über unsere bisherigen Gespräche nachgedacht.«
    »Und jetzt wollen Sie eine Behandlung beginnen, die mich von den Ideen befreien soll, die Sie für Wahnvorstellungen halten.«
    »Nein. Ich will nur ein paar Fragen an Sie richten und vielleicht einige Konsequenzen Ihrer Theorien aufdecken, die Sie möglicherweise nicht bedacht haben.«
    »Oh?«
    »Sehen Sie, Dr. Ralson, seit Sie mir Ihre Gedankengänge eröffnet haben, weiß ich, was Sie wissen, und trotzdem fühle ich keinerlei Zwang, mich umzubringen.«
    »Glaube ist mehr als Wissen,
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