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Der Todesbote

Der Todesbote

Titel: Der Todesbote
Autoren: Jaques Buval
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er eine Strafhaft der schwersten Art. Keinen Schritt kann er mehr tun ohne Handschellen. Keinerlei menschliche Gemeinsamkeiten gibt es mehr in seinem Leben.
    Kein Wärter spricht mehr mit ihm ein privates Wort. Ein Gespräch mit einem Mitgefangenen? Jedem Todeskandidaten ist dies ausdrücklich untersagt!
    Es ist ihm nicht gestattet, auch nur ein Bild in seiner Zelle aufzuhängen. Nackte, kahle Wände sind zu seinem Zuhause geworden. Selbst diese sind geschützt durch zusätzliche Gitterstäbe. Eng vergitterte Fenster – sie sind seine Zukunft.
    Leise und einsam ist sein Leben geworden.
    Wer den Hochsicherheitstrakt im Staatsgefängnis dieser Stadt je betreten hat, weiß, wie das Leben hier verläuft. Für Gefangene, die die Todesstrafe erhalten haben, ist es die Hölle.
    In der vergangenen Zeit haben sich solche Gefangenen nur danach gesehnt, dass die Todesstrafe sie endlich erlöst von dieser grausamen Marter. Sie waren froh, als man sie auf den Gefängnishof führte und mit einem Genickschuss tötete. Der Tod trat schnell ein. Eine unvorstellbare Gnade, so empfanden sie es.

    Zwischenzeitlich ist die Ukraine Mitglied des Europarates geworden und hat deshalb die Vollstreckungen von Todesurteilen ausgesetzt. Der Staatspräsident der Ukraine L. D.
    Kutschma plädierte dafür, im Falle Onoprienkos eine Ausnahme zu machen. Vielleicht würde man Onoprienko damit einen Gefallen erweisen.
    Der Mann, der nun über den Tagesablauf des Gefangenen zu entscheiden hat, ist der Gefängnisdirektor Viktor Karbowskij.
    Karbowskij ist ein äußerst hart wirkender Mann und bei den Häftlingen mehr als gefürchtet. Seine Meinung im Fall Onoprienko hält er nicht zurück. In einem Interview gibt er zu verstehen (und jeder, der ihn kennt, weiß was diese Worte zu bedeuten haben): »Ich denke, selbst wenn Präsident Kutschma sich dazu entscheiden würde, ihn zu begnadigen, die Leute hier würden den Mörder nicht begnadigen. Er hat den Menschen zu viel Böses angetan. Das kann man nicht verzeihen. Er wird seine Strafe auf alle Fälle erhalten. Die Lösung findet sich schon von ganz alleine. Jemand wird es als Gottesstrafe bezeichnen … oder es wird ganz einfach Rache sein. So oder so, er wird seiner Strafe nicht entgehen können. Nach solchen Taten kann man über Gnade überhaupt nicht reden.«
    Viele der Journalisten, die diesen Fall verfolgten, denken laut darüber nach, was der Gefängnisdirektor mit seinen Äußerungen sagen will. Glaubt er, ein Mitgefangener wird die Strafe vollziehen? Er wäre nicht der erste Serienmörder, der seinen Tod im Gefängnis nicht durch die Justiz erfährt. Vor allem Täter, die Kinder getötet haben, leben ständig in der Gefahr, von einem Insassen, der nichts mehr zu verlieren hat, umgebracht zu werden.
    An eine Begnadigung denkt Onoprienko zunächst nicht. Eine Einsicht an die Realität eines Landes, dessen Bevölkerung nicht vergisst?
    Eine erneute psychiatrische Untersuchung wurde für Onoprienko angeordnet. Sie ist inzwischen abgeschlossen, und das Ergebnis wird so unter Verschluss gehalten wie ein Staatsgeheimnis.

    Nur ungern verlässt Onoprienko seine Sicherheitszelle in einem der unübersichtlichen Gänge und Sicherheitsschleusen im Gefängnis von Zhitomir. Höchstens einmal im Monat meldet er sich zum Hofgang, der ihm täglich zustehen würde.
    Wenn man ihn aus seiner Zelle führt, blickt er zunächst ängstlich nach links und rechts. Befinden sich keine Gefangenen auf dem Flur, folgt er den Beamten. Sieht er Häftlinge, verweigert er den Hofgang und lässt sich wieder in seine Zelle bringen, als würde er ständig an die Worte des Gefängnisdirektors denken, die der doch nie gehört hat.
    Einmal im Monat betritt er den kalten, langen Gang zu dem Käfig aus Stahl im Hof des Todes. Hier dreht er seine Runden in dem zwölf Quadratmeter großen, nach allen Seiten betonierten Stück Freiheit. Über ihm befindet sich ein aus Eisen geflochtenes Gitter.
    Den Kopf stets gesenkt, die Hände auf dem Rücken, dreht er seine einsamen Kreise. Selbst über dem Käfig befindet sich ein Wachbeamter mit einer Kalaschnikow AK 47, einem Schnellfeuergewehr, und beobachtet jeden Schritt des Todeskandidaten. Niemand weiß, was er denkt und fühlt. Längst hat er erfahren, dass gerade dieser Käfig als Hinrichtungsstätte für Todeskandidaten diente.

    Die Menschen in der Ukraine waren geschockt. Das ganze Land trauerte, musste hilflos mit ansehen, zu was ein einziger Mensch fähig war. Hilflos und trauernd dem
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