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Der Tod wartet

Der Tod wartet

Titel: Der Tod wartet
Autoren: Agatha Christie
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gesehen haben. Als sie zu ihrer Schwiegermutter kam und sie tot vorfand mit einem Einstich am Handgelenk, musste sie zwangsläufig den voreiligen Schluss ziehen, dass ihr Mann die Tat begangen hatte – dass ihr Entschluss, ihn zu verlassen, eine andere als die von ihr erhoffte Reaktion bei ihm hervorgerufen hatte. Kurzum, Nadine Boynton glaubte, dass sie ihren Mann veranlasst hatte, einen Mord zu begehen.»
    Er sah Nadine an. «Ist es nicht so, Madame?»
    Sie senkte den Kopf. Dann fragte sie:
    «Hatten Sie mich tatsächlich im Verdacht, Monsieur Poirot?»
    «Sie kamen als Täter in Frage, Madame.»
    Sie beugte sich vor.
    « Und was geschah nun wirklich, Monsieur Poirot? »

Siebzehntes Kapitel
     
    « W as wirklich geschah?», wiederholte Poirot.
    Er griff hinter sich, zog einen Stuhl heran und setzte sich. Er war auf einmal umgänglich, ungezwungen.
    «Das ist die große Frage, nicht wahr? Denn das Digitoxin wurde entwendet – die Spritze war verschwunden – am Handgelenk der Toten war der Einstich einer Spritze zu sehen.
    Es ist richtig, dass wir in einigen Tagen definitiv wissen werden, ob Mrs Boynton an einer Überdosis Digitalis starb oder nicht – die Autopsie wird es uns sagen. Aber dann könnte es zu spät sein! Es wäre besser, die Wahrheit heute Abend herauszufinden – solange der Mörder noch hier unter uns ist.»
    Nadine hob abrupt den Kopf.
    «Heißt das, dass Sie immer noch glauben – dass einer von uns – einer hier im Zimmer…» Ihre Stimme erstarb.
    Poirot nickte bedächtig vor sich hin.
    «Ich habe Colonel Carbury die Wahrheit versprochen. Und nun, nachdem wir alles aus dem Weg geräumt haben, stehen wir wieder dort, wo ich schon angelangt war, als ich eine Liste der Fakten niederschrieb und mich umgehend mit zwei eklatanten Widersprüchen konfrontiert sah.»
    Zum ersten Mal mischte sich Colonel Carbury ein. «Wie wär’s, wenn Sie das näher erläutern würden?», schlug er vor.
    «Ich bin im Begriff, es zu tun», sagte Poirot würdevoll. «Wir werden uns noch einmal die beiden ersten Punkte auf meiner Liste vornehmen. Mrs Boynton nahm ein Med i kament, das Digitalis enthielt, und Dr. Gérard vermisste eine I n jektionsspritze. Betrachten wir diese beiden Fakten und stellen wir sie der unbestreitbaren Tatsache gegenüber – die mir sofort ins Auge sprang –, dass die Reaktion der Familie Boynton unverkennbar schuldbewusst war. Man sollte daher meinen, dass nur jemand aus der Familie das Verbrechen begangen haben konnte! Aber genau die beiden Punkte, die ich erwähnte, sprechen gegen diese Theorie. Sie müssen wissen, eine konzentrierte Lösung Digitalis zu verwenden – das ist ein raffinierter Schachzug, o ja, denn Mrs Boynton nahm dieses Medikament ohnehin ein. Aber was würde jemand aus ihrer Familie damit tun? Ah, ma foi! Darauf gibt es nur eine vernünftige Antwort. Er würde es in ihr Medizinfläschchen tun! Genau das würde jeder, aber auch jeder, der einen Funken Verstand besitzt und Zugang zu dem Medikament hatte, mit Sicherheit tun!
    Früher oder später nimmt Mrs Boynton ihre Medizin und stirbt – und selbst wenn das Digitoxin in dem Fläschchen entdeckt wird, lässt es sich leicht auf ein Versehen des Apothekers zurückführen, der die Medizin zusammenstellte. Auf jeden Fall kann man nichts beweisen!
    Warum dann der Diebstahl der Injektionsspritze?
    Dafür kann es nur zwei Erklärungen geben. Entweder Dr. Gérard übersah die Spritze und sie wurde gar nicht gestohlen, oder aber die Spritze wurde entwendet, weil der Mörder keinen Zugang zu dem Medikament hatte – und das heißt, der Mörder war nicht ein Mitglied der Familie Boynton. Die beiden ersten Punkte meiner Liste deuten ganz entschieden darauf hin, dass das Verbrechen von einem Außenstehenden verübt wurde!
    Ich erkannte das sofort – aber wie gesagt, ich war irritiert, weil die Familie Boynton so offenkundige Anzeichen von schlechtem Gewissen erkennen ließ. War es möglich, dass die Familie trotz ihres Schuldbewusstseins dennoch unschuldig war? Ich machte mich daran, es zu beweisen – nicht die Schuld, sondern die Unschuld dieser Menschen!
    So viel wissen wir jetzt. Der Mord wurde von einem Außenstehenden begangen – das heißt, von einer Person, die Mrs Boynton nicht nahe genug stand, um in ihr Zelt gehen zu können oder sich an ihrem Medizinfläschchen zu schaffen zu m a chen. – »
    Er schwieg einen Moment.
    «In diesem Raum befinden sich drei Personen, die, rein technisch, Außenstehende sind, mit diesem
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