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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
Autoren: Sebastian Niedlich
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es nicht gut, das weiß ich.“
    „Und was willst du dagegen unternehmen?“
    „Ich weiß nicht.“
    „Also wenn ich einen Vorschlag machen dürfte … manchmal brauchen Mütter einfach eine feste Umarmung. Deine Mutter kann, glaube ich, wirklich gerade eine gebrauchen. Und wenn du gerade dabei bist, dann sag ihr doch, wie lieb du sie hast.“
    „Ich hab sie sehr lieb.“
    „Sag nicht mir das, sag ihr das. Na los.“
    Ich stand auf, ging aus dem Zimmer und rannte meine Mutter fast um. Sie stand gleich neben der Tür und hatte offenbar gehört, was ich gerade eben gesagt hatte. Trotzdem schlang ich meine Arme um sie und sagte ihr, wie lieb ich sie hatte. Dann weinten wir beide.

Kapitel 4
    Der Fakt, dass mich meine Mutter belauscht hatte, kam nie zwischen uns zur Sprache, aber ich bemerkte, dass sie ab und an etwas kritisch vom Flur in mein Zimmer lugte, wenn ich spielte und mit meinen Figuren sprach. Oder wenn ich mit dem Tod, der mich gelegentlich besuchte, in eines unserer tiefgründigen Gespräche versunken war, bei denen er versuchte, mit mir hochklassige Konversation zu machen, und ich von „Star Wars“ schwärmte. Meine Eltern fragten nie nach, ob ich einen imaginären Freund hatte, aber ich bin mir sicher, dass sie sich entsprechende Gedanken machten. Und weil ich mit Tod ungestört sein wollte, begann ich die Tür erst anzulehnen und ging später dazu über, sie immer zu schließen, wenn ich bei mir im Zimmer war. In gewisser Weise hatte ich damit begonnen, meine Eltern aus meinem Leben zu isolieren. Und ich hatte mich vom Tod das erste Mal zu etwas manipulieren lassen.
    Tod merkte bald, dass ich mich weder für seine Analysen des Weltgeschehens interessierte noch dazu in der Lage war, ihm geistig zu folgen. Unsere Freundschaft hatte also einen schwierigen Start. Mal ganz abgesehen davon, dass wir uns in dem Moment kennenlernten, als meine Oma starb. Tod gab trotzdem nicht auf. Als wollte er meine geistige Entwicklung beeinflussen, fing er an, mir über Monate hinweg das Schachspielen beizubringen. Meinen Eltern muss ich wie ein absoluter Sonderling vorgekommen sein. Da saß ich nun in meinem Zimmer und spielte scheinbar mit mir selbst das Spiel der Könige.
    Der Vorteil des Schachspiels war, dass wir uns nicht viel zu unterhalten brauchten. Die meiste Zeit verbrachten wir in schweigsamer Konzentration. Viele unserer Gespräche von damals sind mir kaum noch im Gedächtnis, vermutlich weil es größtenteils um Belanglosigkeiten ging. Tod hatte bei mir zwar das Interesse am Schach geweckt, was uns eine Grundlage für die gemeinsame Zeit gab, aber ansonsten interessierte ich mich nicht sehr für das, was er tat, und umgekehrt war es im Grunde auch nicht anders. Das Leben eines Siebenjährigen ist für jemanden, der die Jahrhunderte durchlaufen hat, wahrscheinlich eher langweilig. Außerdem teilte er meine Faszination für alles, was mit „Star Wars“ zu tun hatte, nicht. Er schwärmte dagegen von einem Film, der in Kürze herauskommen sollte und sich mit dem Thema Leben und Tod beschäftigte. Als ich den Film wenige Jahre später auf Video sah, fand ich ihn total langweilig, weil Harrison Ford darin nicht so cool war wie in seiner Rolle als Han Solo in den „Star Wars“-Filmen. Später, als ich die Geschichte dann auch tatsächlich verstand, sollte sich meine Haltung ihm gegenüber jedoch grundsätzlich ändern. Der Film hieß „Blade Runner“.
    Ein Mann namens Deckard, gespielt von Harrison Ford, wird darin beauftragt, ein paar künstliche Menschen, Replikanten genannt, aufzuspüren und zu töten. Diese hatten sich gegen ihre menschlichen Aufseher gewandt und sie umgebracht. Nun suchten sie ihren Schöpfer und wollten herausfinden, ob sie ihr Leben verlängern können, da ihre eingebaute Lebensspanne nicht mehr als ein paar Jahre beträgt. Deckard gelingt es tatsächlich, die meisten Replikanten unschädlich zu machen, aber Roy Batty, der Anführer der Gruppe, kann vorher noch seinen „Schöpfer“ töten, nachdem dieser ihm erklärt hat, dass sein Leben nicht verlängert werden kann. Es kommt zum Showdown zwischen Batty und Deckard, in dem Deckard, mit Verlaub, seinen Arsch versohlt kriegt. Batty hat nun die Möglichkeit, Deckard umzubringen, verschont ihn aber, während er selber im Regen sitzt und stirbt. Das Ende macht einem zwei Dinge klar: Batty akzeptiert seinen Tod und hat das Leben so zu lieben geschätzt, dass er nicht einmal seinen Feind umbringen kann. Und: Kinder unter einer
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