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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester
Autoren: Diane Chamberlain
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nicht mehr befreundet sind. Und das nur, weil ihre Eltern noch strenger sind als du und du genau weißt, dass sie mir nichts durchgehen lassen. Ich
hasse
das.”
    “Du hast niemals darum gebeten, bei jemand anders zu bleiben”, verteidigte ich mich.
    “Und du rufst mich ständig auf dem Handy an, um mich zu kontrollieren”, fuhr sie fort. “Weißt du eigentlich –”
    “Nicht um dich zu kontrollieren”, unterbrach ich sie. “Ich rufe dich an, weil ich mir Gedanken um dich mache. Und ich rufe dich nicht
ständig
an.” Unsere immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen nahmen oft diese Richtung. Sie begannen mit einem bestimmten Punkt und schweiften dann immer mehr ab, bis sich mir der Kopf drehte. “Worum geht es hier wirklich?”, wollte ich wissen.
    Sie stöhnte gereizt auf, als ob ich sowieso zu begriffsstutzig sei, um das zu verstehen. “Nichts”, sagte sie. “Es ist nur so, dass ich bald auf mich selbst gestellt sein werde und das allmählich üben sollte. Deshalb halte ich es für besser, wenn ich den Sommer über bei Dad wohne.”
    “Du wirst bei Dad nicht auf dich selbst gestellt sein”, konterte ich, obwohl mir klar war, dass Glen alles tun würde, um seinem Kind zu gefallen. Jedem möglichen Konflikt zwischen Shannon und ihm würde er mit seiner üblichen Passivität begegnen. Von Beginn an hatte ich bei unserer Tochter die Erziehung – und damit die Rolle des strengen Elternteils – übernehmen müssen.
    Ich dachte an Shannons Abschlussfeier. Glen, seine Schwester und sein Neffe hatten ein paar Reihen hinter Mom, Lucy und mir gesessen, und ich hatte das Gefühl, dass alle drei mich anstarrten. Ich wollte nach der Zeremonie zu Glen gehen, ihn umarmen und mit Blick auf Shannon sagen:
Sieh nur, was wir beide geschaffen haben!
Doch da war noch immer eine Mauer zwischen uns, die vermutlich ich aufgebaut hatte. Ich war noch immer zornig wegen dem, was er mir und unserer Ehe angetan hatte. Shannon wusste nichts davon, und das sollte so bleiben. Ich wollte ihr Bild von ihrem Vater nicht beschädigen.
    “Ich weiß, dass ich dort nicht wirklich auf mich allein gestellt sein werde”, gab sie zu. “Darum geht es auch gar nicht. Ich werde es einfach tun, Mom, okay? Ich meine, ich brauche ja wohl nicht wirklich deine Erlaubnis, oder? Um bei Dad zu bleiben?”
    Ich konnte nicht klar denken. “Können wir später darüber sprechen?”, bat ich sie. Ich blickte auf den Brief in meinem Schoß und bemerkte, dass ich ihn immer kleiner und kleiner gefaltet hatte, sodass er genau in meine Hand passte.
    “Was ist das?” Shannon deutete auf das Papierbündel.
    Ich faltete es auseinander und konnte es noch immer kaum glauben, dass Abby Worley tatsächlich da gewesen war. “Ich hatte Besuch”, sagte ich.
    “Wen?”
    “Die Tochter von Ethan Chapman. Als ich klein war, wohnte er neben dem Sommerbungalow meiner Familie. Er war so alt wie ich. Sein älterer Bruder Ned starb kürzlich, und Ethans Tochter – sie heißt Abby – fand diesen Brief in seinem Nachlass. Er war an die Polizei adressiert.”
    Ich reichte ihr den Brief und beobachtete, wie sich bei der Lektüre Sorgenfalten auf ihrer Stirn zeigten.
    “Oh, Mom”, sagte sie voller Mitgefühl. “Als ob du das hier wirklich brauchen würdest.”
    “Ich weiß.” Ich flüsterte fast.
    “Ned war Isabels Freund, nicht wahr?” Isabels Name kam ihr leichter über die Lippen als irgendjemand anderem in der Familie. Vielleicht, weil sie sie nicht gekannt hatte. Für Shannon war Isabel die Tante, die lange vor ihrer Geburt gestorben war. Diejenige, von der wir nur selten sprachen, obwohl Shannon ihr von Jahr zu Jahr ähnlicher sah. Das dicke dunkle Haar und die dichten schwarzen Wimpern, die mandelförmigen Augen und tiefen Grübchen. Shannon war jetzt siebzehn, genauso alt wie Isabel, als sie starb. Shannon wusste von den Ereignissen in jenem Sommer, als ich zwölf war, und sie begriff, dass ich sie aufgrund dieser Ereignisse so sehr unter Kontrolle hielt. Sie durfte sich niemals so frei bewegen, wie Isabel das damals getan hatte. Shannon wusste das alles, doch es hielt sie nicht davon ab, sich meinen Bemühungen um ihre Sicherheit zu widersetzen.
    “Ja”, bestätigte ich. “Isabels Freund.”
    “Deine Hände zittern.”
    Ich blickte hinunter auf meine Hände. Sie hatte recht.
    “Was sollst du damit machen?” Sie gab mir den Brief zurück.
    “Ich werde Ethan bitten, ihn der Polizei zu übergeben. Und wenn er es nicht tut, werde ich das
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