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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester
Autoren: Diane Chamberlain
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diese Gegenstände sammelte ich unter meinem Bett für den Fall, dass sich in der Nachbarschaft etwas Mysteriöses ereignen und eines meiner Fundstücke sich als wertvolles Beweisstück entpuppen sollte. Das Gleiche wollte ich auch in unserem Sommerbungalow tun.
    Das kleine blaugraue, mit schwarzen Fensterläden versehene Holzhaus war einer von zwei Bungalows am Ende einer kurzen, nicht gepflasterten Sackgasse. Meine Schwestern und ich hatten unsere Schuhe schon ausgezogen, bevor wir überhaupt aus dem Wagen stiegen. Grandpop schloss die Vordertür auf, wobei er extra umständlich mit dem Schlüssel herumfummelte und über unsere Ungeduld kicherte. Der muffige Geruch eines Hauses, das zehn Monate lang unbewohnt war, umhüllte uns, als wir in den Flur traten. Lucy und ich rannten von einem Zimmer ins nächste, um uns davon zu überzeugen, dass noch alles genau so war, wie wir es letztes Jahr verlassen hatten.
    Die beiden Schlafzimmer unten wurden von den Erwachsenen benutzt, während wir drei Mädchen auf dem Dachboden schliefen. Izzy und ich liebten den Dachboden, doch Lucy, die offenbar sämtliche Angst-Gene der Familie abbekommen hatte, fürchtete ihn. Als Lucy klein gewesen war, hatten sie und Mom einen Autounfall gehabt, und man hatte meiner Mutter das schreiende Kind aus dem Arm gerissen und in die Notaufnahme gebracht, wo ihre gebrochenen Rippen und ein gebrochenes Bein versorgt wurden. Seit diesem Tag schien sie vor allem Angst zu haben. Den Dachboden konnte man nur über eine wackelige ausklappbare Treppe betreten, und Lucy befürchtete immer, dass diese Treppe irgendwie einrasten könnte, während sie sich oben befand, und sie gefangen wäre. Der Dachboden an sich war eine Quelle endloser Faszination für mich. Er schien unendlich groß. Die Holzschrägen bildeten praktisch den Bauch des Daches, und es standen genug Betten darin, dass acht Menschen hier oben schlafen konnten. Die Betten waren durch Vorhänge voneinander getrennt, die an gespannten Wäscheleinen hingen, sodass jeder ein bisschen Privatsphäre hatte, wenn er das wollte. Tagsüber zogen wir die Vorhänge allerdings meistens zurück, damit eine kleine Brise durch den Raum mit den kleinen Fenstern zog. Die Hitze auf dem Dachboden konnte erstickend sein.
    Jedermanns Lieblingsplatz am Bungalow – und überhaupt der Grund für seine Existenz – war der Kanal, der hinter dem Haus entlangfloss. Unser Garten bestand aus einem großen Rechteck voller Sand, das wir mit der Chapman-Familie von nebenan teilten und das zwischen ihrem und unserem Dock lag. Unser Boot war nur ein kleiner Flitzer, ein winziges, offenes Boot mit Außenbordmotor, doch die Chapmans hatten einen richtigen Boston Whaler, der schnell genug war, um zwei Wasserskiläufer gleichzeitig zu ziehen.
    Jeder, der die Inland-Route von der Barnegat Bay zum Manasquan River nahm, musste unseren Kanal passieren, und einige Boote gehörten Prominenten. Mein Vater erzählte jedem, dass Richard Nixon ihm einmal zugewinkt habe, als das Boot des damaligen Vizepräsidenten an unserem Haus vorbeifuhr. An den Wochenenden füllte sich der Kanal mit Booten und Schiffen aller Größen und Arten und war schwer zu befahren. Unter der kleinen Lovelandtown Bridge, die man von unserem Haus aus gut sehen konnte, schlug das Wasser Wellen wie das Meer bei Sturm, und es kam durchaus mal zu Unfällen. Wir schauten alle gern zu, wenn die Boote an den belebten Wochenendnachmittagen verzweifelt versuchten, den Stützpfeilern der Brücke auszuweichen.
    Als wir in jenem Sommer beim Bungalow ankamen, ging mein Vater allerdings nicht in den Garten, um Boote zu beobachten, und er kletterte auch nicht die Leiter am Dock hinunter, um einen Zeh ins Wasser zu tauchen, wie meine Mutter und ich es taten. Stattdessen schritt er sofort zum Telefon. Er hatte dafür gesorgt, dass es bereits wieder angeschlossen war, weil er sich auf einem Rachefeldzug befand. Er war entrüstet über das kürzliche Verbot von Gebeten in der Schule, das der Oberste Gerichtshof erlassen hatte, und wollte jeden Katholiken, den er kannte, anrufen, um einen Protest gegen das Gesetz zu organisieren. Mein Vater war ein Träger des Purple Heart, des Kriegsversehrtenabzeichens. Er saß im Gemeinderat der Stadt und war ein hoch angesehenes Mitglied unserer Kirche, da er regelmäßig eine Kolumne für eine katholische Zeitschrift schrieb. Zu jung, um mir eine eigene Meinung zu bilden, und geprägt von den Werten meiner Eltern, war ich ebenso entrüstet über
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