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Der Tod kommt wie gerufen

Der Tod kommt wie gerufen

Titel: Der Tod kommt wie gerufen
Autoren: Kathy Reichs
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stützte.
    Die Haustür öffnete sich direkt in einen schmalen Korridor. Rechts lag ein gallegrünes Wohnzimmer. Ein kaputtes Fenster war mit Pappkarton und Isolierband repariert. Möbel gab es kaum. Einen mottenzerfressenen Lehnsessel. Ein übel von Katzenkrallen zugerichtetes Sofa.
    Links lag ein Esszimmer, leer bis auf ein Sideboard aus Astkiefer, eine Matratze und einen Stapel Reifen.
    Ich ging weiter den Gang entlang und betrat dann eine Küche, die 1956 bereits retro gewesen wäre. Philco-Kühlschrank mit Kuppeldach. Kelvinator-Herd. Essecke aus rotem Resopal und Chrom. Grau gesprenkelte Resopal-Arbeitsflächen.
    Links des Kelvinators stand eine Tür offen. Dahinter konnte ich eine Holztreppe erkennen und hörte Stimmen, die von unten heraufdrangen.
    Ich nahm meinen Koffer in die linke Hand, griff mit der rechten nach dem Geländer und stieg langsam nach unten. Schon nach zwei Stufen stellten sich mir die Nackenhaare auf.
    Unbewusst schaltete ich auf Mundatmung um.

3
    Der Geruch war zwar nur schwach, aber unverkennbar – süß und muffig-eklig. Er kündete von verfaulendem Fleisch.
    Aber das war nicht der widerliche Gestank, bei dem es einem
den Magen umdreht und der mir so vertraut ist. Der Gestank aktiver Verwesung. Der Gestank von Eingeweiden, die von Maden und aasfressenden Insekten verwüstet werden. Von Fleisch, das im Wasser grün und aufgebläht wurde. Kein anderer Geruch kann da mithalten. Er sickert in die Poren, die Nase, die Lunge, die Kleidung, und er begleitet einen nach Hause wie Rauch aus einer Bar. Noch lange nach dem Duschen hängt er in den Haaren, klebt er im Mund und in den Gedanken.
    Der Geruch hier war milder. Aber unbestreitbar.
    Ich hoffte auf ein Eichhörnchen. Oder einen Waschbär, der sich durch eine Wand genagt hatte und dann in dem Keller gefangen war. Doch dann dachte ich an Larabees Worte und Arlos Aufregung, und beide Szenarien kamen mir sehr unwahrscheinlich vor.
    Die Temperatur sank mit jedem Schritt nach unten. Die Feuchtigkeit stieg. Als ich den Kellerboden erreicht hatte, fühlte sich das Geländer kühl und feucht an.
    Bernsteinfarbenes Licht strömte aus einer Birne, die an einem fransigen Kabel von der Decke hing. Ich trat auf das festgestampfte Erdreich und schaute mich um.
    Der Keller war knapp zwei Meter hoch und unterteilt in eine Reihe kleiner Verschläge. Sperrholzwände und vorfabrizierte Türen deuteten darauf hin, dass die Unterteilung erst lange nach dem Bau des Hauses erfolgt war.
    Jede Tür in meinem Sichtfeld war offen. Durch eine sah ich ein niedriges Regal, wie man es zur Lagerung selbst gemachter Marmelade und eingekochter Tomaten benutzt. Durch eine andere waren Waschzuber zu erkennen. Aufgestapelte Kisten durch eine dritte.
    Ein Uniformierter der Polizei von Charlotte-Mecklenburg wartete am anderen Ende des Kellers, hinter einem Heizbrenner, der aussah wie eine Erfindung Jules Vernes. Im Gegensatz zu den anderen dreien sah die Tür hinter ihm alt aus. Sie war aus solider Eiche, der Lack dick und vom Alter vergilbt.

    Der Beamte stand breitbeinig da, die Daumen in den Gürtel gehakt. Er war ein stämmiger Mann mit Brauen wie Beau Bridges und einem Gesicht wie Sean Penn, eine nicht gerade vorteilhafte Kombination. Beim Näherkommen konnte ich das Schild auf seiner Hemdbrust lesen: D. Gleason.
    »Was haben wir?«, fragte ich, nachdem ich mich vorgestellt hatte.
    »Sie haben schon mit dem Klempner gesprochen?«
    Ich nickte.
    »So gegen sechzehn Uhr rief Welton die neun-eins-eins an. Sagte, er hätte in einem Hohlraum Tote gefunden. Ich übernahm die Sache und entdeckte Überreste, die meiner Ansicht nach menschlich sind. Rief in der Zentrale an. Dort sagte man mir, ich solle vor Ort bleiben. Und ich sagte Welton, er solle dasselbe tun.«
    Ich mochte Gleason. Er war knapp und präzise.
    »Waren Sie schon unten?«
    »Nein, Ma’am.« In dem Verschlag hinter Gleason hing eine zweite Glühbirne. Das schräg durch die Tür fallende Licht ließ seine Brauen Schatten werfen und seine ohnehin kantigen Gesichtszüge noch schärfer wirken.
    »Der ME sagte mir, Sie hätten den Verdacht, dass es sich um mehr als eine Leiche handelt.«
    Gleason wackelte mit der Hand. Vielleicht ja, vielleicht nein.
    »Gibt’s da unten was, das ich wissen sollte?«
    Ich dachte an den Keller einer Pizzabude in Montreal. Detective Luc Claudel schoss Ratten ab, während ich Knochen ausbuddelte. Ich sah ihn vor mir, wie er in seinem Kaschmirmantel und den Gucci-Handschuhen in diesem
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