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Der Tod kommt in schwarz-lila

Titel: Der Tod kommt in schwarz-lila
Autoren: Ulrich Hefne
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Geschenk für sie.
    Er holte das blutgetränkte Taschentuch hervor und stopfte es samt Inhalt in die Schachtel. Dann verließ er den Schuppen und ging zurück in das verfallene Haus. Er musste etwas essen. Schließlich lag noch eine schwere Aufgabe vor ihm. Er durfte nicht versagen.
    »Träne um Träne, Blut für Blut«, sagte er.
    Ein alter und harter Brotkanten war alles, was er fand. Er setzte sich und biss hungrig hinein.

 
W ANGERLAND M AI 2000
1
    Rudolf Gabler stand am Fenster seines Pensionszimmers und schaute auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach neun und er wusste, dass er nur noch wenig Zeit hatte. Das Wetter hatte sich geändert. Der Wind hatte zugenommen und peitschte die Wellen heftig gegen das Land. Er griff nach seinem Fotoapparat und überprüfte zum letzten Mal die Batterieanzeige. Zufrieden packte er den Apparat wieder zurück in die Tasche.
    Er kannte sich aus mit der Fotografie. Seine Fotos waren keine bloßen Abbildungen der Realität. Die Bilder sollten immer auch seinem künstlerischen Anspruch genügen. Darauf legte er Wert, das war sein Markenzeichen.
    Die Fotografie war nur eine seiner Leidenschaften, doch die andere hatte er längst schon vergessen.
    Er war alt geworden, die Zeit hatte ihn eingeholt und seine einstmals pechschwarzen und vollen Haare waren jetzt grau und dünn.
    Ehe er ins Badezimmer ging, warf er noch einmal einen sorgenvollen Blick nach draußen. Die Dunkelheit legte sich über die Insel und bedeckte das schäumende Wasser der aufbrausenden See. Noch regnete es nicht und er hoffte sehr, dass es in dieser Nacht trocken bleiben würde.
    Plötzlich klingelte das Telefon. Gabler erschrak. Eilends lief er hinüber zum Apparat. Wer konnte ihn zu dieser Zeit noch anrufen? Neugierig nahm er den Hörer ab und meldete sich mit einem leisen »Hallo«.
    Er erkannte ihre Stimme sofort. »Soll ich Ihnen zwei Brötchen für das Frühstück besorgen?«, fragte Frau Melsung, die Betreiberin der Ferienpension.
    Sein Körper entspannte sich. »Nein, danke. Ich muss heute noch einmal hinaus. Es kann sein, dass es den ganzen morgigen Tag dauert, ehe ich zurückkehre.«
    Sie sprachen noch eine Weile miteinander, dann verabschiedete er sich.
    Er blickte erneut auf die Uhr. Es wurde Zeit. Er nahm seine dicke Windjacke von der Garderobe und zog sich die Gummistiefel an. Dann griff er nach seinem Fernglas und hängte es sich um den Hals. Es war ein exzellentes Glas, bot eine hervorragende Vergrößerung und war extrem lichtstark.
    Als er hinaus ins Freie trat, fröstelte er. Der kalte Wind traf ihn mit voller Wucht. Er kniff die Augen zusammen und machte sich auf seinen Weg.
    Sein Verleger würde staunen. Ein Foto des seltenen Austernfischers im Morgenlicht wäre eine Bereicherung für den geplanten Bildband. Noch immer war er sich über den Titel des Buches nicht im Klaren, doch darauf kam es auch gar nicht an. Zuerst einmal mussten die Vorarbeiten geleistet werden. Über dreihundert Fotografien lagen zu Hause in der Schublade, unzählige Textseiten hatte er geschrieben, redigiert, verworfen und neu verfasst. Schon sein erstes Werk war ein echter Erfolg in ornithologischen Fachkreisen gewesen.
    Er erinnerte sich noch gut an den Tag, als er den Verleger bei einer Ausstellung seiner Fotografien im Rathaus von Wilhelmshaven getroffen hatte. Sie waren ins Gespräch gekommen und der Verleger hatte sich nur lobend über seine Arbeiten geäußert. Er hatte den künstlerischen Wert in Gablers Bildern sofort erkannt und nicht lange gewartet, bis er ihm ein Angebot machte. Für sein Vorhaben suchte er noch einen Fotografen, dessen Werke eine unverwechselbare Ausstrahlung besaßen. Kunstwerke, die voller Ästhetik und Anmut die Schönheit der Vogelwelt darstellten. Rudolf Gabler hatte diese seltene Gabe. Der Vorschlag des Verlegers war mehr als akzeptabel und so unterschrieb Gabler den Vertrag. Ein paar Tage später war er auf Kosten des Verlages in den Schwarzwald gereist, um seinen ersten Auftrag zu erfüllen.
    Es hatte damals gut getan, nach all der verlorenen Zeit wieder eine echte Aufgabe gefunden zu haben. Seit seiner unrühmlichen Entlassung vor sieben Jahren hatte er sich nicht mehr so geachtet gefühlt. Er war noch nicht bereit gewesen für die Pensionierung. Der Schulamtsleiter hatte ihm erklärt, dass es das Beste für ihn sei. Er hatte es schließlich eingesehen und schweren Herzens zugestimmt. Die Wochen und Monate zuvor, als er noch voller Kampfeskraft gewesen war und die Herausforderung
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