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Der Tod kommt in schwarz-lila

Titel: Der Tod kommt in schwarz-lila
Autoren: Ulrich Hefne
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fallen. »Oh Gott, nein …!« Er riss die Hände in die Höhe und bekam den Schatten zu fassen. Hart und kühl fühlte er sich an. Dann spürte Gabler nur noch einen rasenden Schmerz. Ein greller Blitz durchzuckte die Nacht. Er wollte schreien, doch er bekam keinen Ton heraus. Etwas hatte ihm die Worte in der Kehle zerschnitten.
    *
    Er raffte die wenigen Habseligkeiten zusammen und warf sie hinter die Düne. Schweiß lief ihm über die Stirn. Ströme vom Schweiß der Angst. Dann ging er hinunter zum Wasser. Die Insel schwächte die Wucht der Wellen, dennoch schaukelte das kleine Boot wie eine Nussschale hin und her. Er stieg ein und warf einen letzten Blick zurück. Dann startete er den Motor und brauste davon. Es war noch Zeit, dreieinhalb Stunden bis zur Ebbe.

 
     
2
    »Du bist gemein, alle dürfen mit. Nur ich bekomme wieder alles verboten!« Paula rannte aus dem Zimmer. Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss.
    Trevisan schüttelte den Kopf. Wenn sie sich ärgerte, benahm sie sich genauso wie ihre Mutter. Er hatte es sich einfacher vorgestellt, mit seiner Tochter zusammenzuleben. In letzter Zeit war sie besonders zickig und abweisend gewesen. Er versuchte ihre Launen und Stimmungsschwankungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Aber den Ausflug konnte er ihr nicht gestatten. Paula war erst vierzehn und er konnte nicht zulassen, dass sie sich mit ihren Freunden vier Tage mit dem Boot im Wattenmeer herumtrieb. So eine verrückte Idee.
    Trevisan schlug seine Zeitung auf. Gedankenverloren überflog er die Überschriften. Der Streit mit seiner Tochter ging ihm nicht aus dem Kopf. Damals, als Grit nach der Scheidung das Angebot einer Kieler Fährgesellschaft annahm, hatte sie Paula zu ihm gebracht. »Es ist nur vorübergehend. So lange, bis ich etwas Passendes gefunden habe. Dann kann sie wieder bei mir wohnen.«
    Zwei Jahre waren inzwischen vergangen. Mittlerweile war keine Rede mehr davon, dass Paula nach Kiel zurückkehren sollte. Sie selbst hatte beschlossen, bei ihm in Sande zu bleiben. Und Trevisan hatte zähneknirschend zugestimmt. Nicht, dass er seine Tochter nicht liebte. Aber er wollte die Liebe zu seinem Kind nicht durch die Spannungen des alltäglichen Lebens eines Kriminalbeamten belasten. Und in seinem Job sah er, wie Kinder auf die schiefe Bahn gerieten und keinen Weg mehr zurück fanden, wenn ihnen die moralische Führung fehlte. Er hatte ein wenig Angst vor der Verantwortung.
    Andererseits wollte er Paula ersparen, ein Spielball von Grits Launen zu werden. Immer hin und her geschoben, so wie es Grit passte.
    Wenn es auch nicht leicht war, er hatte seine Linie gefunden und wich nicht davon ab. Auch wenn ihm Paula jetzt vorwarf, ihre Freiheiten zu beschneiden und überängstlich zu reagieren: Er konnte ihr die Tour nicht erlauben.
    Trevisan faltete die Zeitung zusammen und warf sie zurück auf den Tisch. Seine Aktien hatten erneut nachgegeben und Werder Bremen hatte knapp mit 1:2 gegen Bayern München verloren. Früher hatte er kein Spiel seines Lieblingsvereins verpasst, aber nachdem er Leiter des 1. Fachkommissariats bei der Wilhelmshavener Kriminalpolizei geworden war und vor vier Jahren das kleine Reihenhaus in Sande gekauft hatte, fand er selten Gelegenheit, zum Fußball zu gehen.
    Er ging hinüber zum Fenster und warf einen Blick hinaus. Vor zwei Wochen hatte er den Rasen gemäht, doch davon war kaum noch etwas zu erkennen. Er würde sich wieder etwas mehr Zeit für den Garten nehmen müssen. Noch immer lagen die Steinplatten für die Erweiterung der Terrasse zusammengeschnürt auf der Palette.
    *
    Horst Brinkmann genoss die Zeit, die er im Frühjahr auf Wangerooge zubringen konnte. Jedes Jahr verschlug es ihn auf diese Insel. Der Stress, dem er als Fluglotse jeden Tag ausgesetzt war, fiel nach wenigen Tagen wie lästiger Schorf von ihm ab und die würzige Seeluft machte seinen Kopf frei und beflügelte die Sinne.
    Brinkmann war ein naturverbundener Mensch. Er liebte die Spaziergänge im Frühjahr, wenn sich noch keine Touristenströme durch die Dünen drängten. In der idyllischen Einsamkeit fühlte er sich wohl.
    Nach dem Mittagessen in der Pension war er aufgebrochen. Heute führte ihn sein Weg hinüber in den Osten der Insel, in die sandige Dünenlandschaft. Als er sich dem Strand näherte, hörte er schon von weitem das wilde Geschrei der Möwen. »Was für ein Spektakel!«
    Unzählige Vögel flatterten durch die Lüfte, stießen auf den Boden herab und stiegen rasant wieder auf.
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