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Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Titel: Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
Autoren: Gerhard Feix
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Forellenbach im Gebirge. Der rund 75 Kilogramm schwere Betonklotz, der eigentlich ein Wiederauftauchen der Leiche unmöglich machen sollte, hatte das genaue Gegenteil bewirkt, nämlich verhindert, daß die zurückweichende Flut das Opfer abtrieb. So lag der Körper, von Elektriker Heinze zuerst für eine Schneiderpuppe gehalten, noch immer an der Stelle, an der er versenkt worden war. Da sich das schwere Bündel nicht einen Meter von der Stelle gerührt hatte, fiel es den Männern von der Kriminalpolizei nicht schwer, die Kratzspuren auf dem Mauerkopf der Ufereinfassung zu finden, die der Betonklotz beim Darübergleiten verursacht hatte. Und waren die Kratzer selbst auch kriminalistisch unergiebig, so wies das Ufer doch Fußstapfen auf, die geradewegs zur Ruine führten, in der der Mord geschehen war. Am Tatort befanden sich keine auswertbaren Spuren. Wer die Tote war und was sie nachts in dieser gottverlassenen Gegend zu tun hatte, blieb ebenfalls unklar. Eins schien den Kriminalisten jedoch sicher zu sein: Die Frau, wer immer sie auch sein mochte, war beraubt und von mindestens zwei Personen ins Wasser geworfen worden, denn die Tote hatte keinerlei Identitätspapiere bei sich, trug weder Mantel noch Schuhe und wog zusammen mit dem Betonklotz rund 135 Kilogramm, also mehr, als ein Mann allein hätte bewältigen können. Bei der näheren Besichtigung des Opfers fiel dem Oberinspektor ein gewichtiger Umstand auf: Die Knoten in der Schnur, mit der die Leiche an den Betonklotz gefesselt war, wiesen auf Fachkenntnisse besonderer, wenn auch in Hamburg nicht gerade seltener Art hin. Es waren nämlich sogenannte Kreuzknoten und Webeleinsteks, also Knüpfwerke, wie sie zum Berufseinmaleins der „Christlichen Seefahrt" gehörten, aber auch von Zimmerleu-tcn und Gerüstbauern, dann freilich unter anderen Namen, benutzt werden.
    Die kriminaltechnische Untersuchung im Labor brachte weitere Anhaltspunkte. Mit ultrarotem Filmmaterial fotografiert, konnte ein ausgeblichener Farbaufdruck auf dem olivgrünen Leinengürtel, der um den Hals der Toten geschlungen war, sichtbar gemacht werden. Der Aufdruck lautete „US ROM E 1944" und wies auf amerikanisches Armee-Eigentum hin. Allerdings ließ sich damit vorerst nicht allzuviel anfangen, denn Gürtel dieser Art gab es Tausende.
    Die einzige Hoffnung zur Aufklärung des Mordes blieb die Identifizierung der Toten. Stave ließ daher ihre Fingerabdrücke und ein Foto an alle Polizeidienststellen der britischen Besatzungszone schicken, mit der Bitte, das Vermißtenregister durchzusehen. Erfolglos! Vergeblich blieben auch die Nachforschungen bei Zahnärzten, denen der Zahnersatz der Verstorbenen vorgelegt wurde.
    Die Mordkommission nahm daher an, daß die Frau entweder nicht aus Hamburg stammte oder aber keine Angehörigen mehr besaß. In beiden Fällen waren die Chancen einer Identifizierung äußerst gering.
    Die Wochen vergingen, Oberinspektor Stave hatte die Hoffnung, den Fall zu lösen, schon aufgegeben, da erschien bei der Polizeidienststelle in Rendsburg eine Frau Sanders, die ihre Tochter Erna vermißte. Als der diensthabende Beamte hörte, daß Erna Sanders das vierzigste Lebensjahr bereits überschritten hatte und schon öfter wochenlang der mütterlichen Wohnung ferngeblieben war, verlor er sofort das Interesse. Eine überreife Frau, unbemannt und lebenshungrig, hatte zweifellos triftige Gründe für ihr Ausbleiben. Der Beamte wollte die alte Dame schon mit ein paar tröstenden Worten nach Hause schicken, da erinnerte er sich an das Fahndungsfoto, das vor einiger Zeit aus Hamburg gekommen war. Er kramte in den Papieren, fand es und legte es Frau Sanders vor. Die hatte kaum einen Blick darauf geworfen, als sie auch schon schrie: „Aber das ist ja meine Erna!"
    Der Diensthabende verständigte sofort die Hamburger Mordkommission, und schon am nächsten Tag konnte Oberinspektor Stave die Aussagen der Mutter der Ermordeten zu Protokoll nehmen.
    Damit war nach drei Wochen ergebnisloser Arbeit der erste entscheidende Schritt zur Aufklärung dieses Mordfalles getan.
    Erna Sanders, die Tote aus dem Herrengrabenfleet, stammte aus Brandenburg. Kurz vor Kriegsende verschlug es sie mit ihrer
    Mutter nach Schleswig-Holstein in ein kleines Dorf bei Rendsburg. In ihrer Heimatstadt hatte sie ein Konfektionsgeschäft besessen und gehofft, am neuen Wohnort ein ähnliches Unternehmen gründen zu können. Doch ihr fehlten die Mittel dazu. Eine Arbeit, die ihr zugesagt hätte, fand sie in dieser
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