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Der Tod ist kein Gourmet

Der Tod ist kein Gourmet

Titel: Der Tod ist kein Gourmet
Autoren: Jean G. Goodhind
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seit Jahren einmal wieder seinen Sohn gesehen hatte. Warrens Mutter hatte sich von ihm getrennt, nachdem er einmal zu oft auf Sauftour gewesen war. Nachdem er Warren wiedergesehenhatte, hatte er sich sehr angestrengt, trocken zu werden und zu bleiben. Das hätte vielleicht geklappt, hätte Warren nicht beschlossen, nach Kanada auszuwandern, wo eine junge Frau und eine Arbeitsstelle auf ihn warteten. Da war Colin wütend geworden. Sie hatten sich gestritten, und Warren war davongestürmt, ohne ein Wort des Abschieds zum Flughafen gefahren und weggeflogen. »Wenn ich nur dran denke, dass ich für diesen undankbaren Bengel mit dem Trinken aufhören wollte«, knurrte Wright vor sich hin und streckte die Hand nach seinem Whiskyglas aus.
    Es schien, als sei der Whisky die Muse, die ihm seine Artikel einflüsterte. Zu diesem Schluss war er gekommen, nachdem er von einem seiner regelmäßigen Redakteure ordentlich Schelte bezogen hatte.
    »Wo ist die beißende Kritik? Wo sind die dreckigen Laken, die schmutzigen Badewannen und die Kakerlaken, die durch die Eingangshalle huschen?«
    Der besagte Redakteur hatte einmal bluttriefende Sensationsreportagen geschrieben. Seine Stärke waren Berichte über die ekligen Einzelheiten in Mordprozessen. Nett und niedlich gehörte nicht zu seinem Repertoire. »Wir veröffentlichen ein Reisedossier in unserer Wochenendbeilage. Da brauchen wir was, das ein bisschen gesalzener ist, ein bisschen härter, ein bisschen kritischer! Klar?«
    Wright, der inzwischen wieder soff wie ein Loch, wusste genau, wo er die wunderbaren Unterkünfte und die riesige Auswahl an kleinen Hotels und Pensionen finden konnte, die er nach Belieben in seinen Glossen zerreißen konnte. Dreckig und ungepflegt, was? Die Kritik hatte er schon geschrieben. Jetzt musste er nur noch ein Hotel finden, das dazu passte. Natürlich nicht ganz, denn sonst würde er ja dort nie im Leben absteigen. Es würde ihm nicht im Traum einfallen, in einem Rattenloch zu übernachten, in einemHotel, das wirklich eine vernichtende Kritik verdiente. O nein, nicht C. A. Wright. Er hatte seine Standards. Er hatte Geschmack.
    Bath war Weltkulturerbe, eine Stadt, die er mochte, und er war schon früher hier gewesen. Das bedeutete, dass er peinlich genau darauf achten musste, nicht in einem Hotel abzusteigen, wo er schon einmal gewohnt hatte. Sobald sein Name und die auf den Besuch folgende Kritik erwähnt würden, würde man ihn dort nämlich sofort hochkantig rausschmeißen. Er musste einfach eine Unterkunft finden, die all seinen Ansprüchen und Bedürfnissen entsprach. Das sollte nicht so schwierig sein.
    Er seufzte erleichtert auf, als er das Laurel Tree Hotel gefunden hatte, ein kleines Haus mit nur acht Gästezimmern, das von wohlmeinenden Dilettanten geführt wurde, die keine Ahnung hatten, wie und wann man ein kleines Schmiergeld über den Tisch schob.
    Strenggenommen war das Laurel Tree gar nicht groß genug, um sich Hotel nennen zu dürfen. Zunächst einmal hatte es keine richtige Bar mit Barkeeper, der mit geschicktem Schwung seines Handgelenks Cocktails mixte. Doch es gab im Salon und auf seinem Zimmer alkoholische Getränke. Wright hatte durchaus die Absicht, sich davon zu bedienen – und zum Teufel mit dem Aufschreiben.
    Mr. und Mrs. Dodd, die das Hotel führten, waren ein Ehepaar in den mittleren Jahren. Sie hatten ihre früheren Berufe aufgegeben – er war Baumeister gewesen und sie Sekretärin bei der Stadtverwaltung von Dorchester – und hatten sich selbständig gemacht.
    »Wir dachten, das wäre genau die richtige Aufgabe für unser Rentenalter«, hatten sie verkündet und ihn unschuldig angelächelt, ohne auch nur eine Sekunde lang zu ahnen, was er schon bald für den Ruf ihres Hotels tun würde.
    Er hatte sie gefragt, ob ihnen die Arbeit Spaß machte.
    »Ja, es ist harte Arbeit, aber wir mögen sie.«
    Ihre Naivität verschlug einem die Sprache. Sie waren ziemlich neu im Geschäft und hatten noch nicht herausgefunden, wie sehr man schuften musste, wenn man Leute bewirtete. Noch waren sie nicht zermürbt. Aber in höchstens zwei Jahren würde das Laurel Tree Hotel wieder auf dem Markt sein.
    C. A. Wright lächelte und bestätigte ihnen, wie schön es für sie sein würde und was für Glückspilze sie wären, ein so herrliches Hotel in einer so herrlichen Stadt ihr eigen zu nennen.
    Idioten, dachte er für sich, und ihre Naivität erfüllte ihn mit Verachtung. Amateure in einer Profi-Welt. Mit der Zeit würden sie alles
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