Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Thron des Haryion

Der Thron des Haryion

Titel: Der Thron des Haryion
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
Menschen zu stürzen.
    Es war wirklich eines jener Mischwesen, mehr als zehneinhalb Fuß groß und mit mindestens dem Doppelten an Spannweite. Der Unterleib war der eines Vogels, mit zwei stämmigen, verhornten Beinen und einem weit ausladenden, dicht gefiederten Schwanz. Der Oberkörper hingegen hätte einer begehrenswerten Frau gehören können, wäre nicht der weiche Flaum gewesen, der die Haut bedeckte. Die Schwingen endeten in gefährlichen Greifklauen. Das Gesicht der Haryie war durchaus menschenähnlich, ließ allerdings in dem breiten, verhornten Mund, der wie ein kurzer Schnabel mit zwei Reihen spitzer Zahnkämme wirkte, auch das Tierische erkennen.
    Zwölf weitere dieser Geschöpfe, die über der Phanus enger werdende Kreise zogen, zählte Mythor. Er sah aber auch, daß einige Kriegerinnen Pfeile auf die Sehnen ihrer Bogen legten.
    »Nicht schießen!« warnte er deshalb. »Es ist Asmilai, die Stockherrin der Nesfar.«
    »Ja, Mythor«, krächzte die Haryie und scharrte ungeduldig mit dem rechten Fang. »Wir hätten nie geglaubt, dich wiederzusehen. Das Leuchten hat noch kein Opfer freigegeben. Aber gerade das macht dich zu einem besonders wertvollen Gast für uns.«
    Der Gorganer bemerkte, daß Burra unwillkürlich die Zähne zusammenbiß. Auch sie hatte also ihr Mißtrauen nicht überwunden.
    »Unser Stock ist nahe«, verkündete Asmilai und schwang sich auf das Deck, wo sie mit angewinkelten Flügeln umher hüpfte. »Wir werden ein Fest feiern, wie die Nesfar seit langer Zeit keines mehr sahen.« Sie schenkte Mythor ein Lächeln, doch der Anblick ihrer zuckenden Fänge und deshalb geöffneten Mundes ließ ihn schaudern.
*
    In der Ferne trieb eine mächtige Felseninsel vorbei. Sie ließ eine Reihe tief er Krater erkennen, von denen etliche Rauch und Feuer auspien.
    Zonen schwerer Luft erlaubten es dem glutflüssigen Magma, sich ringförmig um das zerklüftete Gebilde auszubreiten. Selbst als die Finsternis den Felsbrocken längst wieder verschluckt hatte, war noch immer dessen wabernder, blutroter Widerschein auszumachen.
    »Eine unwirtliche (legend«, schimpfte Gerrek, während er gleichzeitig überaus interessiert an einer der viereckigen Luken stand und nach draußen blickte, um ja nichts zu versäumen.
    Man hatte sich auf die geschlossenen Decks zurückgezogen. Oben gab es ohnehin nichts zu tun, nachdem die Haryien das Hausboot wieder in Schlepptau genommen hatten.
    »Du, Robbin«, sprach Gerrek unvermittelt den Pfader an. »Du hörst doch förmlich das Gras wachsen. Was hältst du von den Vogelweibern?«
    Der Lotse wickelte an den Binden herum, der einzigen Kleidung, die er trug. Er tat dies immer, wenn er Zeit gewinnen wollte oder nervös war.
    »Versuche wenigstens für eine Weile, deine Hände ruhig zu halten«, ächzte Gerrek. »Wie soll man vernünftig mit dir reden, wenn du nie zuhörst.«
    »Ich ahne, was du wissen willst.«
    »Ach…«
    »Du fürchtest dich vor den Haryien, weil sie fliegen können, während du…«
    »Genug.« Abwehrend riß Gerrek die Arme hoch. »Habe ich dich gefragt, nur um mich beleidigen zu lassen? Spiel doch weiter mit deinen dreckigen Stoffetzen.«
    Robbins Miene verfinsterte sich. Ruckartig warf er die Binde, die er eben abgewickelt hatte, sich lose über die Schulter. Seine großen roten Augen schienen sich den Beuteldrachen bannen zu wollen.
    »Ich werde meinen Preis verdoppeln«, erklärte er schließlich. »Niemand kann ernsthaft von mir verlangen, daß ich mich…«
    Weiter kam er nicht. Ein langgezogener gellender Schrei ertönte von draußen und endete abrupt. Zugleich wurde die Phanus schwer erschüttert. Jemand machte sich an der Bordwand zu schaffen.
    Ein blaues, gefiedertes Etwas huschte auf Gerrek zu. Instinktiv sprang er zurück, stolperte dabei aber über seinen Rattenschwanz und stürzte. Da, wo er eben noch gestanden hatte, zerfetzten hornige Greifklauen das Holz.
    Die Haryie zwängte sich gänzlich durch die Luke herein. Hinter ihr drängten weitere nach. Mit einem einzigen Blick erfaßte sie die Lage. Gerrek hatte das Pech, ihr am nächsten zu sein. Kreischend griff sie ihn an, schlug mit ihren Fängen nach ihm, und als er sich herumwälzte und sein Kurzschwert ziehen wollte, drückten ihre Schwingen ihn zu Boden.
    Gerrek konnte nicht mehr erkennen, was um ihn her geschah. »Es sind Zaron«, vernahm er den Schrei einer Kriegerin, dann brandete Kampflärm auf.
    Das Gewicht der Haryie lastete schwer auf ihm. Verzweifelt versuchte er, wenigstens die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher