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Der Thron des Haryion

Der Thron des Haryion

Titel: Der Thron des Haryion
Autoren: Hubert Haensel
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1.
    Die jäh aufzuckende Schwärze schien mit riesigen Krallen nach der Phanus zu greifen.
    Eine Finsternis brach herein, wie sie vollkommener nicht sein konnte. Mythor, der auf dem Vorschiff stand, zuckte zusammen. Mit der Rechten zog er Fronja enger an sich. Eben noch hatten sie gemeinsam zu den Haryien hinaufgesehen, die das Hausboot geleiteten, jetzt reichte die Sicht kaum mehr wenige Schritte weit.
    Sanft schmiegte die Tochter des Kometen sich an ihn. Schier übermächtig wurde Mythors Verlangen, eins mit ihr zu werden, zu vergessen, was ringsum geschah. Der Deddeth hatte von Fronja abgelassen; ihre Genesung machte rasche Fortschritte.
    Mythors Gedanken verwirrten sich. Obwohl er die nahe Gefahr ahnte, ließ er seine Hand über Fronjas Schulter gleiten, berührte zärtlich den Gesichtsschleier, den sie noch immer trug…
    Die dräuende Schwärze schlug über der Phanus zusammen. In unablässiger Folge zuckten Blitze auf, und das Erschreckende daran war die vollkommene Lautlosigkeit, mit der es geschah.
    Das Atmen fiel schwer, als legte eiserne Bande sich um den Brustkorb. Mythor begann zu schwitzen.
    Eine rasend schnelle, wirbelnde Bewegung erfaßte das Boot, und seltsame Laute hallten durch die Dunkelheit.
    Und da! – Ein Schatten… ein Schemen, der sich langsam über das Deck schob.
    Mit der Linken zerrte Mythor Alton aus der Scheide. Selbst das Leuchten des Gläsernen Schwertes wurde von der Finsternis erstickt.
    Keuchend stieß er zu – wieder und immer wieder. Der Schatten verging, nur um an anderer Stelle von neuem zu entstehen. Dazwischen die Blitze voll blendender Schwärze und Düsternis. Mythor focht einen aussichtslosen Kampf. Sein Arm erlahmte schnell, und er begann sich zu fragen, weshalb niemand ihm zu Hilfe kam.
    Mythor glaubte hinabzustürzen in eine endlose Tiefe, in die schäumende, giftige See der Finsternis. Fronja klammerte sich an ihm fest. Sie schrie – und ihr Entsetzen verscheuchte die aufkommende Gleichgültigkeit, die sich wie ein Leichentuch über seine Gedanken legte.
    Auf den Knien fand er sich wieder und spürte spitze Holzsplitter, die Alton aus den Planken herausgefetzt hatte, an seiner Kehle. Der Gestank von Verwesung schlug ihm entgegen und ließ ihn würgen.
    Im nächsten Moment verspürte Mythor einen vernichtenden Schlag, der ihn von den Beinen riß und quer über das Deck schleuderte. Das Gläserne Schwert schien aufzuglühen. Mehr vermochte der Gorganer nicht zu erkennen, denn der heftige Aufprall, als er gegen die Bordwand stieß, raubte ihm die Besinnung.

    *

    Turmhoch stieg die Gischt empor, unbarmherzig alles zerschmetternd, was sich ihr entgegenstellte. Nie endete diese Woge der Vernichtung – ihr Donnern und Tosen, das Dröhnen der entfesselten Gewalten und das Brausen des Orkans, der ihr voraneilte, verkündeten den Tod. Nichts hätte schlimmer, nichts gewaltiger sein können als diese Wassermassen, die den Schlünden des Jenseits entsprungen sein mochten.
    Der Sohn des Kometen hatte es aufgegeben, dagegen anzukämpfen. Mit letzten Kräften hielt er sich über Wasser und ließ sich treiben, während die gigantische Flutwelle unaufhaltsam näherkam…
    Mythor war sofort hellwach, als ein sanftes Lippenpaar seine Wangen berührte. Fronja kniete neben ihm. Sie hatte ihren Schleier halb gelüftet und lächelte. Das düstere Wallen war fast völlig aus ihrem Antlitz verschwunden. Trotzdem wirkten ihre Züge verzerrt, irgendwie gequält.
    Mythor begriff, daß er nur phantasiert hatte. Hilflos in der See treibend, war er vor nunmehr über einem Jahr nach Vanga gelangt.
    Ruckartig richtete er sich auf. Noch immer wurde die Phanus von unwirklicher Schwärze eingehüllt, wenngleich die Sicht inzwischen weiter reichte. Die Taue, die vom Bug und von den beiden seitlichen Steuerfächern aus nach vorn führten, waren straff gespannt. Demnach hatten die Haryien entgegen Mythors Befürchtungen nicht die Flucht ergriffen.
    Burra und einige ihrer Amazonen standen mit gezogenen Klingen an der Reling. Sie starrten hinaus in die ewige Nacht, aber kein Gegner zeigte sich. Robbin und Gerrek schienen aus irgendeinem Grund miteinander in Streit geraten zu sein. Während der Pfader heftig mit den Armen ruderte, tippte der Beuteldrache sich mehrmals an die Stirn.
    »War ich lange ohne Besinnung?« wollte Mythor wissen.
    Fronja schüttelte den Kopf.
    Schwankend kam der Sohn des Kometen auf die Beine.
    Gerrek ließ den Pfader einfach stehen und kam auf Mythor zu.
    »Was ist geschehen?«
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