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Der Teufel von Mailand

Der Teufel von Mailand

Titel: Der Teufel von Mailand
Autoren: Martin Suter
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blätterte sie die Zeitung durch.
    Im Rambazamba hatte ein Gast auf den Barman und einen Gast geschossen. Er hätte ihn dreimal vergebens gerufen, während der Barman mit dem Gast gesprochen habe, gab der Täter als Grund an. Der Barman war lebensgefährlich verletzt, der Gast war tot.
    Bei den Stellenangeboten fiel ihr ein Inserat auf. Sie riß es heraus für den Fall, daß sie morgen immer noch entschlossen war, ihr Leben zu ändern.
    Die Frau, die die Tür öffnete, gehörte zu den Menschen, die Gespräche verstummen lassen, wenn sie einen Raum betreten. Sie war höchstens Mitte Zwanzig.
    »Verzeihen Sie«, sagte Sonia, »ich wollte zu…«
    »Barbara Peters?«
    Sonia nickte.
    »Ich bin Barbara Peters. Und Sie sind Frau Frey?« Sie gab ihr die Hand. »Kommen Sie herein.«
    Sie betrat die Junior Suite Nummer sechshundertfünf. Ein großes Zimmer mit Queen-Size-Bett, einer Sitzgruppe und einem Schreibtisch. Internationale Viersterne-Norm, wie Sonia sie aus ihrem früheren Leben kannte.
    Barbara Peters bot Sonia einen Sessel an. »Ich habe mir eine Physiotherapeutin anders vorgestellt.«
    »Ich mir eine Hotelbesitzerin auch.«
    Die junge Frau lachte und sah noch schöner aus. »Wer fängt an?«
    »Womit?«
    »Mit den Fragen.«
    »Normalerweise der Arbeitgeber.«
    »Also: Welchen Beruf haben Sie ausgeübt in den sechs Jahren seit Ihrem letzten Arbeitszeugnis?«
    »Ich war verheiratet.«
    »Das ist doch kein Beruf.«
    »So, wie mein Mann ihn verstand, schon.«
    »Was ist Ihr Mann?«
    »Banker. War.«
    »Nicht mehr?«
    »Nicht mehr mein Mann.«
    »Verstehe. Geht mich ja auch nichts an.«
    »Nein.«
    Einen winzigen Augenblick war Barbara Peters etwas irritiert. Dann lächelte sie. »Und jetzt möchten Sie wieder einsteigen.«
    »Ich trage mich mit dem Gedanken.«
    »Sie müssen nicht?«
    »Sie meinen materiell?«
    »Ja.«
    Sonia überlegte. »Materiell nicht, aber sonst schon.«
    Barbara Peters zögerte kurz vor der nächsten Frage. »Haben Sie sich in den sechs Jahren weitergebildet?«
    »Sie meinen, ob ich fachlich noch à jour bin?«
    »Ja.«
    »Sind wir jetzt beim finanziellen Teil?«
    »Ja.«
    »Für eine Universitätsklinik vielleicht nicht.«
    »Aber für ein Wellness-Hotel schon?«
    »Genau.«
    Barbara Peters zeigte wieder ihr bezauberndes Lächeln. »Jetzt Sie.«
    »Haben Sie Fotos?«
    Frau Peters stand auf, ging zum Schreibtisch und kam mit einer Zeichenmappe zurück. Sie enthielt verschiedene Layouts für einen Hotelprospekt. Alle zeigten auf der Titelseite das Bild eines schloßartigen Gebäudes mit zwei Türmen aus Naturstein, die eine komplizierte Dachstruktur aus steilen Giebeln, hohen Kaminen und gezackten Zinnen überragten. Die Fassaden waren unterbrochen von gotischen Fenstern, verspielten Erkern, Schießscharten und schwindelerregenden Balkonen. Das Ganze sah aus, als sei es die Ausführung einer Zeichnung, die ein von einer Kinderkrankheit genesender Knabe vor hundert Jahren im Bett geschaffen hatte.
    Das Eigenartigste war eine Konstruktion aus Stahl und Glas, die in die linke Flanke des Bauwerks verkeilt war. Als wäre das Schloß mit einem Raumfahrzeug kollidiert.
    »Hotel Gamander«, sagte Barbara Peters, halb stolz, halb amüsiert.
    »Geerbt?« Sonia fiel keine bessere Reaktion ein.
    »Gekauft. Gekauft und renoviert und erweitert.«
    Am liebsten hätte Sonia gefragt: Warum? Wenn sie genug Geld hätte, ein Hotel zu kaufen, wüßte sie tausend Dinge, die sie tun würde. Hotel kaufen war nicht darunter.
    Aber sie fragte: »Der neue Teil ist der Wellness-Bereich?«
    »Sportbad, Thermalbad, römisch-irischer Zyklus, Sauna, Whirlpool, Fitness, Massagen, Solarien. Und was Ihnen sonst noch einfällt.«
    »Fango.«
    »Fango.«
    Sonia nahm eines der Layouts in die Hand und blätterte darin. Mehr aus Verlegenheit als aus Interesse.
    »Welchen finden Sie am besten?«
    »Sie meinen von den Prospektentwürfen?«
    Barbara Peters nickte.
    »Ehrlich gesagt: keinen.«
    »Sie haben die Stelle«, lachte die junge Hotelbesitzerin.
    Eine Viertelstunde lang besprachen sie die Konditionen. Eigentlich waren sie sich einig, als Sonia sagte: »Ich habe einen Wellensittich, ist das ein Problem?«
    »Ich hasse Vögel.« Barbara Peters sah nicht aus, als scherze sie.
    Sonia seufzte und stand auf. »Schade. Der Vogel ist nicht verhandelbar.«
    Barbara Peters zögerte. »Macht er Krach?«
    »Nur beim Staubsaugen.«
    »Und Sie halten ihn im Zimmer?«
    »Klar.«
    »Haben Wellensittiche nicht diese ansteckende
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