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Der Teufel von Herrenhausen

Der Teufel von Herrenhausen

Titel: Der Teufel von Herrenhausen
Autoren: Marion Griffiths-Karger
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nicht so sagte.
    »Jan?«, rief
Charlotte noch mal und riss die Tür zur Höhle ihres Pflegesohnes auf.
    »Kannst du nicht
anklopfen?«, sagte der, ohne den Kopf vom Bildschirm seines Notebooks zu
nehmen.
    Charlotte konnte
nicht antworten, sie bekam keine Luft, stieg über einen Berg Klamotten und
einen weiteren aus Büchern und sonstigen papiernen Materialien und riss das
Fenster auf.
    »Bist du verrückt?
Du erstickst ja hier drin«, sagte sie.
    »Lebe noch,
oder?«, sagte Jan, ohne sie anzusehen.
    Charlotte sah sich
im Zimmer um und schürzte die Lippen. Das war einer der Punkte, in denen sie
und Rüdiger sich nicht einig waren. Rüdiger war der Meinung, dass Jan in seinem
Zimmer das Sagen hatte, es also nach Herzenslust zumüllen durfte, wenn das eben
seine Vorstellung von Ordnung war. Charlotte sah das ganz anders, hatte aber
zähneknirschend nachgegeben. Das Ergebnis war ein Raum, der diesen Namen nur
deshalb verdiente, weil er vier Wände und eine Tür hatte, durch die man ihn
betreten konnte, falls einem danach war. Der Fußboden war nämlich nicht zu
sehen, weil Jan grundsätzlich nichts von Schränken hielt. Warum etwas
wegpacken, wenn man es später sowieso wieder hervorkramen musste? Das war doch
Arbeitsbeschaffung. Und Jan hatte Besseres zu tun. Zum Beispiel stundenlang auf
seinen Monitor zu stieren.
    »Wenn du dir schon
jedes Mal ein neues Messer nehmen musst, wenn du ein Nutellabrot isst, kannst
du dann nicht wenigstens die gebrauchten wegräumen?«
    Charlotte wusste,
dass die Frage rein rhetorisch war, konnte sie sich aber nicht verkneifen.
    »Geht klar«,
murmelte Jan.
    »Natürlich«,
seufzte Charlotte und verließ das Zimmer, ohne die Tür zu schließen. Ein
bisschen Kontakt zur Außenwelt konnte nicht schaden, dachte sie sich, und ein
bisschen Durchzug auch nicht.
    Sie ging über die
knarrenden Flurdielen ins Bad, streifte Jeans, T-Shirt und Unterwäsche ab und
stellte sich unter die Dusche.
    Zwanzig Minuten
später stand sie in T-Shirt und kurzer Hose in ihrer geräumigen Küche und
begann langsam, sich zu entspannen. Sie schaltete das Radio ein, wusch Tomaten
und schnitt sie klein. Dann nahm sie Schafskäse aus dem Kühlschrank und
bröselte ihn über die Tomaten. In diesem Moment wurde die Wohnungstür
aufgeschlossen. Eine Minute später legten sich Arme um ihre Taille, und
Bergheim drückte ihr einen Kuss auf den Hals.
    »Hm, du kochst.«
    »Kochen nicht
gerade. Gibt nur Salat mit Baguette. Nebenan steht noch ein Bordeaux«, sagte
Charlotte und wies mit dem Kopf auf die kleine Vorratskammer neben der Küche.
    »Isst Jan mit?«,
fragte Bergheim, holte die Flasche Rotwein und suchte nach dem Korkenzieher.
    »Glaube ich nicht,
der ist randvoll mit Nutellabroten«, sagte Charlotte, während sie Kräuter der
Provence über den Salat streute.
    »Ich versuch’s
trotzdem«, sagte Bergheim und goss Wein in zwei Gläser. Er prostete Charlotte
zu, nahm einen kräftigen Schluck und verließ die Küche, um seinen Sohn von den
Vorzügen einer vitaminreichen Ernährung zu überzeugen.
    Wenig später saßen
er und Charlotte allein an dem großen Holztisch und ließen sich Wein, Salat und
Brot schmecken. Charlotte erzählte von der Toten im Georgengarten.
    »Wisst ihr schon,
wer sie ist?«, fragte Bergheim.
    »Haben wir noch
nicht rausgefunden, sie hatte nur einen Schlüsselbund dabei, und mit den
Vermisstenanzeigen in Hannover gab es bisher keine Übereinstimmung.«
    »Hm«, sagte
Bergheim, »das heißt, dass sie entweder allein lebte oder nicht in Hannover
oder der Region.«
    »Dass sie nicht
hier gelebt hat, halte ich für ausgeschlossen«, meinte Charlotte und tunkte ein
Stück Baguette in die Salatsauce. »Sie trug einen Jogginganzug, und damit
unternimmt man ja wohl keine Städtereisen.«
    »Sie könnte ja mit
einem Auto hergekommen sein.«
    »Nein, an dem
Schlüsselbund waren nur zwei Schlüssel, einer wahrscheinlich für die Haustür
und ein kleinerer – möglicherweise für den Briefkasten. Kein Autoschlüssel,
keine Papiere, nichts.«
    »Fingerabdrücke?«
    »Sind nicht in der
Datei«, antwortete Charlotte.
    Sie legte die
Gabel beiseite und schenkte ihnen Wein nach. Bergheim nahm sich noch Salat.
    »Was, glaubst du,
ist passiert?«, fragte er und schob sich eine Portion Schafskäse in den Mund.
    Charlotte blickte
versonnen in ihr Weinglas.
    »Entweder ist sie
ihrem Mörder zufällig begegnet, oder sie waren verabredet, oder sie sind
gemeinsam gelaufen. Letzteres halte ich für unwahrscheinlich. Wie
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