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Der Teufel von Herrenhausen

Der Teufel von Herrenhausen

Titel: Der Teufel von Herrenhausen
Autoren: Marion Griffiths-Karger
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soll das vor
sich gehen? Sie trotten gemeinsam durch den dunklen Georgengarten, streiten sich
vielleicht. Plötzlich eskaliert das Ganze, er wird handgreiflich, würgt sie,
bis sie stirbt.«
    Beide ließen sich
dieses Szenario einen Moment durch den Kopf gehen.
    »Das ist zu
unwahrscheinlich«, sagte Charlotte dann bestimmt. »Wenn sie mit dem Kerl joggen
war, hat sie ihn entweder schon länger gekannt, oder sie haben sich zum ersten
Mal getroffen. Dazu war sie aber zu wenig aufgebrezelt. Wenn ich mich zum
ersten Mal mit einem Mann verabrede, dann will ich doch vorteilhaft aussehen
und ziehe nicht so einen Schlabberanzug an.«
    »Nein?«
    »Du etwa?«, fragte
Charlotte.
    »Ich trage nie
Schlabberanzüge«, sagte er und schob seinen leeren Teller zur Seite.
    »Also«, fuhr
Charlotte fort, »die andere Möglichkeit, dass eine Joggerin von einem bösen
Unbekannten im dunklen Wald überfallen und vergewaltigt wird, fällt weg, weil
es keinerlei Anzeichen für eine sexuell motivierte Tat gibt. Jedenfalls bis
jetzt nicht.«
    In diesem Moment
schlurfte Jan in die Küche, zog die Besteckschublade auf, nahm ein Messer
heraus und stutzte einen Moment. Dann blickte er auf Charlotte und Bergheim und
warf das Messer wieder zurück. Er ging zum Schrank, fingerte eine Scheibe
Toastbrot aus der Packung, steckte sie in den Toaster, schraubte das
Nutellaglas auf und ließ aus zusammengekniffenen Augen den Blick suchend über
den Tisch gleiten.
    »Wo sind ‘n die
Messer?«, sagte er und sah Charlotte fragend an.
    Die seufzte. »Hab
ich weggeräumt. In den Spülautomaten, falls du nicht weißt, wo das schmutzige
Besteck hinkommt.«
    Jan machte eine
resignierende Handbewegung. »Wenn du die Messer wegräumst, muss ich mir ja wohl
ein neues nehmen, oder?«
    Das tat er dann
auch. Bergheim verkniff sich ein Grinsen.
    Sie warteten
geduldig, bis Jan die Küche wieder verlassen hatte.
    Charlotte blickte
ihrem Ziehsohn missmutig hinterher. Er war mit seinen fünfzehn Jahren so groß
wie sie, und er sah gut aus, so wie sein Vater. Die Mädchen flogen auf ihn, und
das machte die Sache komplizierter. Er fühlte sich unangreifbar.
    »Um noch mal auf
den Mord zurückzukommen«, sagte sie, ohne Bergheim anzusehen. »Ich glaube, dass
sie sich mit ihrem Mörder am Leibniztempel verabredet hatte. Wenn wir wissen,
wer sie ist, können wir ihr Handy und ihren Computer checken. Vielleicht hat
sie in irgendwelchen Chatrooms mitgemischt und dort einen Typen kennengelernt.«
    »Aber sie hatte
doch Schlabberhosen an«, gab Bergheim zu bedenken.
    »Eben«, sagte
Charlotte, »das macht die Sache so merkwürdig.«

ZWEI
    Es war kurz nach
zehn, als Charlotte am Samstagmorgen die Kriminalfachinspektion1 an der
Waterloostraße betrat. Trotz der Tageszeit war es schon unangenehm schwül, und
die wenigen Beamten, die weder in Urlaub noch ins Wochenende gefahren waren,
stierten lustlos auf ihre Bildschirme.
    Charlotte saß kaum
an ihrem Schreibtisch, als die Tür aufgerissen wurde und Kriminalrat Herbert
Ostermann – der Chef des ZKD – in ihr Büro stürmte.
    »Frau Wiegand«,
blaffte er grußlos, »bevor Sie zur Teambesprechung gehen, möchte ich Sie
persönlich daran erinnern, dass dieser Fall die oberste Dringlichkeitsstufe
hat.«
    Charlotte hob
erstaunt die Brauen. »Ah ja?«
    »Selbstverständlich«,
antwortete Ostermann, der jetzt mit auf dem Rücken verschränkten Armen vor
ihrem Schreibtisch auf und ab ging. Da ihr Büro kaum vier Meter breit war,
wirbelte er ziemlich viel Luft auf.
    »Sie wissen ja, in
Kürze müssen Sie ohne mich auskommen.«
    Aha, dachte
Charlotte, der Chef hat Angst um seinen Urlaub.
    »Ich – vielmehr
meine Frau hat sich sehr viel Mühe gegeben, die Familie diesmal
zusammenzubringen, und ich habe nicht die Absicht, sie zu enttäuschen, weil irgendein
Schweinehund eine Frau im Georgengarten um die Ecke bringt. Ausgerechnet im
Georgengarten! Die Presse freut sich ein Loch in den Bauch! Endlich ein
Lichtschimmer am Ende des gähnenden Sommerlochs.«
    Charlotte starrte
ihren Chef mit offenem Mund an, was einen ziemlich dämlichen Eindruck machte.
Aber die Situation war erstaunlich: Nicht nur, dass ihr Chef unter die Poeten
gegangen war. Er nahm auch noch Rücksicht auf seine Frau! Charlotte argwöhnte
eher, dass er vor ihr schlotterte und sich nicht traute, den gemeinsamen Urlaub
abzusagen.
    »… habe ich deshalb
für die kommende Woche eine Urlaubssperre verhängt«, dozierte Ostermann weiter,
ohne seine Wanderschaft zu
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